Freisein durch Bindung

von C. Terry Warner

Auszüge aus dem Buch
"Bonds That Make Us Free"
als Vertiefung zum E-Book
So gewinnen Sie Ihr Herzblatt wieder für sich





Fortsetzung von Kapitel 1:
Betrübte Gefühle - das allgegenwärtige Leid


Jeder kennt solche Erfahrungen, wie ich sie mit Matthew erlebt habe. Ein jeder von uns wurde bereits verletzt, provoziert oder aufgebracht.
Oder war nachtragend.
Oder neidisch.
Oder eingeschüchtert.
Oder ängstlich.
Oder beschämt.
Oder durch etwas angewidert, was uns angetan wurde.

Wir fühlen uns dann ohmächtig und wissen nicht, wie wir solche Gefühle wieder loskriegen können.

Diesem Gefühl der Ohnmacht werden wir nicht dadurch Herr, dass wir versuchen, die angeblichen Verstösse unserer Mitmenschen zu ignorieren oder uns Ablenkungen suchen.

Die Ungerechtigkeit, Gleichgültigkeit, Missachtung, Flegelhaftigkeit oder Grausamkeit geht uns durch Mark und Bein – manchmal zwar nicht so tief, aber sie hinterläßt immer ihre Spuren. Der Schmerz, den wir als wirklich empfinden, bahnt sich seinen Weg in alle Bereiche unseres Lebens und beeinträchtigt diese. Ein ungetrübtes Glück scheint unmöglich geworden zu sein.

Jeder, der solche betrüblichen Gedanken und Gefühle durchgemacht hat, weiß, wie sehr sie unser Innenleben durcheinander bringen. Hier scheint ein „Gasgesetz“ der emotionalen Störung am Wirken zu sein, das sich wie folgt formulieren ließe:

Ein Innenraum wird unabhängig davon, wie groß er ist, von einer Beunruhigung gefüllt, unabhängig davon, wie klein diese ist“.


Die Gefühle, die wir anderen vorwerfen, und die alles kaputt zu machen scheinen, weigern sich hartnäckig gegen ihre Evakuierung, wenn sie sich erst einmal in uns eingenistet haben.

Selbst dann, wenn wir uns in unser Schlafzimmer zurück ziehen und – bildhaft gesprochen - die Tür verriegeln, treiben diese Gefühle im Schlaf weiter ihr Unwesen und geistern im Haus umher. Familien, die im Unfrieden miteinander leben, stellen fest, dass ihre Ungeduld und ihre Enttäuschungen alles, was sie anpacken, wieder vereiteln. Egal, was dies auch ist:

In der Küche etwas kochen,
in der Werkstatt etwas reparieren,
im Schafzimmer lesen,
ja sogar, gemeinsam etwas zu spielen.

Die zersetzende Kraft aufgewühlter Gefühle wirkt sich auf alles aus!

Einige Beispiele:

Ich muss an Menschen denken, die unter dem bedrückenden Gewicht negativer oder betrübter Gefühle oder Einstellungen gelitten haben. Die Probleme dieser Menschen fangen bei einem Unglücklichsein an und reichen bis zu dem, was die Ärzte Pathologien nennen. Sicherlich kennen auch Sie solche Menschen – oder kennen diese Situationen gar aus eigener Erfahrung. Solche Zustände sind so alltäglich wie das Ein- und Ausatmen. Jeder von uns hat in einem gewissen Maße mit solchen Gefühlen oder Gedanken zu tun gehabt:

Ein Eigenheimbesitzer wettert ständig über jeden in seiner Nachbarschaft;

Ein Schulmädchen ist neidisch auf ihre Mitschülerinnen;

Eine bei der Beförderung übergangene Büroangestellte, weil sie ständig vor Selbstmitleid zerfließt;

Ein Lehrer, der sich über seine Schüler lustig macht, wenn sie seine Fragen nicht zu seiner Zufriedenheit beantworten;

Eine Ehefrau, die an ihrem Mann herumnörgelt;

Ein Geschäftsmann, der überaus besorgt über sein Aussehen und seinen äußeren Schein ist, und ständig einen tadellosen Eindruck machen möchte.

Beschreibt man solche ganz normalen Leute etwas genauer, so sehen wir, dass einige dieser Personen mit einer Menge Frustration, Enttäuschung oder innerem Schmerz zu kämpfen haben.


Ich denke zum Beispiel an Mandy. Ihr Vater, ein Bauleiter, starb an einem Schlaganfall, als sie vierzehn Jahre alt war. Als sie noch ein kleines Mädchen war, hat er immer sehr viel gearbeitet, manchmal auch ziemlich weit weg. Während der Schulferieren nahm er Mandys älteren Bruder, Jeddy, mit sich auf Montage. Ihrer Mutter war das recht, schließlich, so meinte sie, bräuchte der Junge den Einfluss seines Vaters. Als Klein-Mandy ebenfalls mit wollte, wurde sie abgewiesen: “Das ist kein Platz für kleine Mädchen“, war seine Standardantwort.

Im Sommer ging er ab und zu zum Jagen oder zum Fischen, manchmal mit einem Freund und in der Regel auch mit ihrem Bruder. Aber Mandy konnte da nicht mitkommen: “Für so etwas bist zu klein!“ oder “Ich brauche Jetty zum Fischeausnehmen.“

Als Mandy etwas zehn Jahre alt war, wurde ihre kleine Schwester Nessie geboren. Um diese Zeit wurde ihr Vater befördert und brauchte nicht mehr auf Montage zu gehen. Er musste auch nicht mehr so früh außer Haus und so spät in die Nacht hinein arbeiten. Mit Nessie hatte er seine helle Freude. Er warf sie manchmal in die Luft, balgte mit ihr herum und gab ihr einen Gute-Nacht-Kuss; als Mandy versuchte, ihm ebenfalls einen Kuss zu geben, wurde sie wieder zurück gewiesen: “Dafür bist du jetzt zu alt.“

Im Laufe der nächsten Jahre hatte sie immer wieder längere Phasen, wo sie sich „down“ fühlte. In diesen Phasen brauchte es nicht viel, damit sie sich zurückgestoßen fühlte. Wenn ihr jemand nicht seine volle Aufmerksamkeit widmete, versuchte sie, sich der Situation möglichst schnell wieder zu entziehen. Zu diesen Zeiten glühte ihr Wut darüber, dass sie sich nicht akzeptiert fühlte, wie heiße Kohlen. Sie grübelte oft darüber nach, was ihr Vater ihr angetan hatte.


Ein anderer Mensch, der mir in diesem Zusammenhang einfällt, ist Norm, ein erfolgreicher Geschäftsinhaber mit viel Schwung und Energie.

Seine Kosten hatte er voll im Griff. Seine Leute ebenfalls – mit derselben Ungeduld! Es war nicht überraschend für mich, als ich erfuhr, dass sich sein Innenleben durch brodelnde Beziehungen mit seinen Vorgesetzen auszeichnete. Trotz seiner Machtposition schaffte es Norm nicht, dass sich seine Mitarbeiter kooperativer und loyaler verhielten. Diesen Ärger nahm er Abend für Abend mit nach Hause.

“Zu meiner Frau habe ich eigentlich schon seit einem Jahr keinen Bezug mehr,“ gestand er mir „abends, im Schlafzimmer, ist sie am Lesen und ich starre bloß an die Zimmerdecke und durchlebte nochmals meinen täglichen Frust!“


Ein weiteres Beispiel ist Ruel. Ich lernte ihn kennen, kurz nachdem er einen Job im Verkauf erhalten hatte. Er war der Meinung, dass er seine „Pechsträhne“ durchbrechen könne, wenn er einen Arbeitsplatz fände, der ihm zu Erfolg verhilft. Nach seinen Schulungen trödelte er zunächst etwas herum und fing nicht sofort an, sich dem Verkaufen zu widmen. Er verbrachte eine Tage damit, sich Motivationskassetten anzuhören, “um sich besser einzustimmen“, wie er sagte.

Oberflächlich erschien er ziemlich fröhlich. Je mehr ich ihn jedoch kennenlernte, umso klarer wurde, dass er stark unter verletzten Gefühlen litt und Angst davor hatte, dass ihn die Interessenten nicht für voll nehmen würden. Der Hersteller hatte kein besonders gutes Produkt geschaffen und es würde schwierg sein, diesen Pfusch an den Mann zu bringen. Seine eigene Herkunftsfamilie und seine Lebensumstände hatten ihn nicht besonders gut darauf vorbereitet, im Leben erfolgreich zu sein.


Victoria hatte ihr beiden mittlerweile halbwüchsigen Kinder sehr autoritär und bestimmt erzogen. Das hat sie zu rebellischen und gereizten Menschen gemacht, und zwar so stark, dass sie ihrer Mutter nicht einmal mehr zuhörten. “Ich habe sie nicht mehr im Griff. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, damit wenigstens unser Haushalt wieder in Ordnung kommt. Ich weiß nicht einmal, wie ich es anstellen soll, um wieder mit meinen Kindern zu reden.“

Sie war mit ihrem Latein am Ende!


Dies ist der rote Faden. Ich spreche hier nicht von Problemen in der Gefühls- oder Einstellungswelt von Ausnahmepersonen, die sich von uns wesentlich unterscheiden.

Ich spreche von Problemen, die in der ein oder anderen Form und zu gewissen Zeiten jeden von uns betreffen, die Art von Problemen, die uns innerlich zu schaffen machen, über die wir mit unseren Angehörigen und Vertrauten reden oder über die wir uns aus Scham ausschweigen.