Sexuelle Liebe in der
Superehe



Teil 2: Besondere Geschlechtsphysiologie und Anatomie (Fortsetzung)




Kapitel 3:
Geschlechtsphysiologie der Frau

3. Eierstocktätigkeit

Wellenbewegung der Lebenserscheinungen

im weiblichen Organismus

Die im Folgenden besprochenen Fragen sind äußerst schwierig, nicht nur, weil sie in hohem Maße kompliziert sind, sondern vor allem, weil sie vieles enthalten, was sich außerordentlich schwer verstehen lässt, und manches, sehr Wichtiges, noch unbekannt ist.

Trotzdem müssen wir versuchen, uns nach Möglichkeit über sie klarzuwerden, denn das Wesentliche im körperlichen und gutteils auch im seelischen Leben der Frau wird nicht nur von ihnen berührt, sondern beherrscht.

Die Eierstöcke (die wir, weil sie in ihrer Funktion zusammen ein Ganzes bilden, nach altem Beispiel gewöhnlich "das Ovarium" oder "das Ovar" nennen werden, auch wenn es normalerweise zwei davon gibt) haben eine doppelte Aufgabe:

  • das Ei, weibliche Keimzelle, zu produzieren
  • und es bei seiner weiteren Entwicklung zu schützen.

Von der Art und Weise, in welcher das Ovar die erstgenannte Aufgabe erfüllen, wissen wir schon vieles, wozu uns insbesondere die mikroskopischen Untersuchungen verholfen haben.

Aber dennoch - hier fängt die Schwierigkeit bereits an. Wann wird ein Ei ausgestoßen?

Geschieht das in regelmäßigen Zwischenräumen?

Und wie verhält sich der Zeitpunkt der Eiausstoßung (Ovulation) zu dem Blutabgang, der alle vier Wochen aus dem Uterus stattfindet?

Dass wir diesen Blutabgang vorzugsweise und nachdrücklich in unsere Betrachtung mit einbeziehen, ist die Folge seiner Sinnfälligkeit, seines regelmäßigen Erscheinens und seiner Bedeutung als Zeichen von nicht eingetretener Schwangerschaft. Überall und immer hat die Menstruation für die Frauen und für die Ärzte die Rolle des Kontrollapparates gespielt, welcher die wichtigsten Vorgänge in den Geschlechtsorganen anzeigt. Auch wir wollen diesen Apparat als Zeitmesser gebrauchen und die zeitliche Folge der Phasen verschiedener Funktionen der Geschlechtsorgane und vieler Verrichtungen des übrigen Körpers nach ihm andeuten. So teilen denn auch wir die vierwöchentlichen Perioden, in denen das Leben der normalen, nichtschwangeren Frau verläuft, so ein, dass sie von dem ersten Tag der Menstruation, bis zum 28., der dem Anfang der Blutung folgt, gerechnet werden.

An welchem Tag findet also die Ovulation statt? Die Beantwortung dieser Frage hat nicht allein theoretischen Wert. Denn da die Zeit kurz nach dem Freiwerden des Eies für einen befruchtenden Coitus offensichtlich die am meisten geeignete ist, hat man immer viel auf ihre Ermittlung gehalten - ohne dabei aber zu eindeutigen Resultaten gekommen zu sein.

In den letzten Jahren jedoch ist es uns durch zahlreiche Wahrnehmungen während Operationen und durch genaue Beobachtungen an Frauen, bei denen der Follikelsprung auf andere Weise deutlich zu erkennen war, gelungen, so viel Einsicht in diese Frage zu erhalten, dass ich mich, wenn auch nicht ohne einen gewissen Vorbehalt, berechtigt erachte, den Sachverhalt folgendermaßen darzustellen:

Sofort, nachdem etwa zwei Tage vor der Menstruation ein Ei, das nicht befruchtet wurde, abgestorben ist, fängt die Entwicklung eines neuen de Graafschen Follikels an.

Sie geht stetig vorwärts, bis das Bläschen reif ist.

Nach meinen Beobachtungen ist das am 11., 12. oder 13. Tag der Fall. Wenn auch eingeräumt werden muss, dass frühere oder spätere Reifung möglich ist, und dass besonders unter dem Einfluss eines Coitus die Berstung etwas verfrüht werden kann, kommt man der Wahrheit doch am nächsten, wenn man, sowohl als Durchschnittstag wie als absoluten (d.h. am meisten vorkommenden) Tag für den Follikelsprung und damit für das Freiwerden des neuen Eies den zwölften Tag annimmt.

Das Ei wandert in die Tube, bleibt ungefähr 15 Tage am Leben, und wenn es nicht befruchtet wird, stirbt es ab.

Sofort fängt ein neuer de Graafscher Follikel zu wachsen an, womit ein neuer Zyklus eingeleitet wird.


In den Eierstöcken herrscht infolge des stetigen Wachstums von kleinen, sich bis zu einer gewissen Höhe ausbildenden Follikeln einige Spannung. Sobald ein de Graafsches Bläschen seine Weiterentwicklung begonnen hat, erhöht sich die Spannung durch die zunehmende Menge der Follikelflüssigkeit. Sie steigt mehr und mehr an, erreicht ihren Höhepunkt im Augenblick vor der Follikelberstung und fällt sofort danach jäh ab.

Der plötzliche Austritt der verhältnismäßig großen Flüssigkeitsmasse lässt vermutlich sogar die Gesamtspannung bis unter die beim Anfang des Wachstums des eben geplatzten Follikels bestehende herabsinken. Sie steigt dann durch das Nachwachsen der kleinen Follikel langsam wieder, bis sich ein neuer von ihnen zur Weiterentwicklung anschickt, und bis auch dieser Kreis geschlossen wird, besser gesagt, bis eine neue Spannungswellel anrollt.

Spannung löst einen Entspannungstrieb aus. Bei einer gewissen Zahl von Frauen ist dieser Entspannungstrieb in Form eines verstärkten Wunsches nach dem Coitus in den  dem Follikelsprung vorangehenden Tagen deutlich zu erkennen. Vergegenwärtigt man sich im Zusammenhang damit die vorhin bereits angedeutete Möglichkeit, dass die um diese Zeit stattfindende Geschlechtsvereinigung die Follikelberstung direkt verursachen kann, denkt man weiter an die im vorigen Abschnitt besprochenen, gerade dann bestehenden, günstigen Lebensbedingungen für die Spermatozoen in der Scheide (geringer Säuregehalt, der der Lebenstätigkeit der Samenzellen genau entspricht), und zieht man schließlich in Betracht, wie sich an die Ovulation sofort diejenigen Veränderungen, in den Geschlechtsorganen sowohl wie im Gesamtorganismus, anschließen, welche darauf abzielen, dem befruchteten Ei die bestmöglichen Vorbedingungen zu einer ungestörten Entwicklung zu bieten, so wird klar, in welch vollendeter Weise die Natur diese Vorgänge ineinandergreifen lässt, um ihren Zweck, die Fortpflanzung und damit die Arterhaltung, zu erreichen.

Die Wellenbewegung von Follikelreifung und Ovarialspannung ist in Abbildung V durch die unterste schwarze Linie dargestellt.


Nun zur zweiten Aufgabe der Eierstöcke. Wie schützt die Ovialtätigkeit das Ei nach seiner Loslösung?

Antwort: Indem sie im Körper die bestmöglichen Bedingungen für seine Erhaltung, Ansiedlung, Entwicklung und Ernährung schafft.

Dazu hat die Corpus-luteum-Drüse zu dienen. Sie ist eine Drüse mit so genannter innerer Sekretion, weil sie keinen Ausführungsgang hat und ihre Absonderungsprodukte direkt dem Blut überweisen muss, welches sie dahin befördert, wo sie ihre Wirkung auszuüben haben. Auch ist der Gelbkörper keine ununterbrochen bestehende Drüse. Im Gegenteil, jedes Corpus luteum besteht nur so lange wie das Ei, zu dem es gehört, und für das es arbeitet, lebt (und dazu noch weitere acht Tage, während deren es sich zurückbildet).

Bleibt das Ei am Leben, weil es befruchtet wurde, so besteht auch das Corpus luteum weiter, ja es erreicht sogar eine bedeutendere Größe als im Falle der Nichtschwängerung der Frau.

Stirbt das Ei aber ab, so fängt sofort die Rückbildung des Gelbkörpers und damit ein starker Rückgang seiner Funktion an. Doch bald wird sich ein neuer Corpus luteum bilden, denn die Vorbereitung dazu beginnt ohne Verzug, indem sich ein neuer Follikel zum Auswachsen anschickt.

Wir wissen, dass die Umwandlung des gesprungenen Follikels in den gelben Körper sofort einsetzt und raschen Fortgang annimmt. Hand in Hand damit macht sich die innere Sekretion dieser Drüse geltend. Wie schnell die Ausbildung vor sich geht, wie weit der Vorgang jeden Tag fortschreitet, kann uns aus leicht verständlichen Gründen nicht genau und mit Sicherheit bekannt sein.

Immerhin deuten Veröffentlichungen (L. Fraenkel, R. Schröder, R. Meyer) und andere Anhaltspunkte darauf hin, dass der Prozess mit größer Wahrscheinlichkeit in den ersten vier Tagen schnell, in den weiteren vier langsamer fortschreitet, sodass das Blütestadium des Corpus luteum nach acht Tagen erreicht ist. Während weiterer sechs, eher sieben, Tage bleibt die Drüse dann in voller Tätigkeit, ja ihre Entwicklung nimmt sogar noch etwas zu, bis ihr plötzlich, infolge des Eitodes, ein Ende bereitet wird. Eine schnelle Rückbildung hebt an, und im Verlauf von acht Tagen ist der gelbe Körper so klein geworden, dass er nicht mehr als funktionsfähig betrachtet werden muss.

Die schräg gestrichelte Kurvenlinie in Abbildung V bringt das Gesagte im Bild und vermittelt sowohl vom Wachstum und der Rückbildung des Corpus luteum wie auch von seiner eng damit zusammenhängenden Funktionsintensität eine Vorstellung.

Eine vergleichende Betrachtung der unteren schwarz ausgezogenen und der schräg gestrichelten Kurve ermöglicht es, die Vorgänge des Follikelwachstums und der Bildung des Corpus luteum in ihrem zeitlichen Zusammenhang zu vergleichen. Wir sehen dabei, dass die Corpus-luteum-Welle sofort einsetzt, wenn die Welle des Follikelwachstums bricht, und dass eine neue Welle der letzten Art ins Anrollen kommt, sobald die schräg gestrichelte abfällt.

Auf den Wellengipfeln liegen Eigeburt und Eitod.

Von dem inneren Zusammenhang lässt sich nur sagen: Das Corpus luteum hemmt eine neue Follikelbildung (teleologisch gesprochen, da eine neue Eibildung unnötig und unerwünscht ist, solange die Vorbereitungen zum Empfang des eben losgelösten, zu befruchtenden Eies noch in Gang sind). Der Eitod macht dem Corpus luteum ein Ende, und indem dieses seine Sekretion sofort einschränkt und weiter progessiv verringert, hört die Hemmung der Follikelbildung auf. Ein neues Ei kann reifen.

Der Gelbkörper erfüllt in nicht weniger kräftigen,  um nicht zu sagen, auf noch kräftigere Weise, seine Aufgabe, indem er durch Einwirkung seiner Absonderungsprodukte die Uterusschleimhaut veranlasst, sich auf die Einbettung und Ernährung des zu befruchtenden Eies vorzubereiten.

Unter seinem Einfluss fängt diese Schleimhaut, aus dem Stadium des geringen Umfangs und der geringen Tätigkeit heraustretend, eine Entwicklung an, welche die erste Stufe der Schwangerschafts-Uterusschleimhaut bildet und einer regelrechten Wucherung gleichkommt. Die in Abbildung V eingezeichnete Kurve entspricht meiner Umrechnung mikroskopischer Untersuchungen anderer Kollegen. Man sieht, wie sie aus einer Phase der Ruhe, der Indifferenz, herausbrechend, am zweiten Tag nach dem Anfang der Gelbkörperwirkung zu steigen anfängt und regelmäßig mit (d.h. leicht hinterherkommend, weil die Schleimhautzellen ja einige Zeit zum Wachstum brauchen) der Tätigkeit des Corpus luteum ansteigt. Während dessen Blütestadium verlaufen die beiden Kurven sogar in auffallender Weise parallel und erreichen an demselben Tag ihren höchsten Punkt. Gleich nachdem der vom gelben Körper ausgehende Wachstumsreiz aufgehört hat, fällt auch die Schleimhautkurve ab und kehrt in wenigen Tagen zum indifferenten, ruhenden Stadium zurück.

Kurze Zeit nach dem Beginn des Abfallens, nach ein, zwei, drei, vier Tagen, meistens (und durchschnittlich) nach zwei Tagen, setzt die Menstruation ein.

Örtlich wird diese gekennzeichnet durch Zugrundegehen und Abstoßung eines großen Teils der gewucherten Schleimhaut und durch Absonderung von blutiger Flüssigkeit, die sich bis zum Abgang von fast reinem Blut steigern kann. Für den Gesamtorganismus bedeutet sie mehr - wie sie denn auch als Teil einer allgemeinen Reaktion des Körpers aufgefasst werden muss.

Betrachten wir jetzt erst die längst gestrichelte Kurve, die ebenfalls Schleimhautuntersuchungen von Frits Diessen, von mir in Zahlen und Kurven gebracht, wiedergibt. Sie gilt der Anhäufung von Glykogen in der Uterusschleimhaut, eines Stoffes, der als Zwischenstufe zwischen Kohlehydraten und Zucker die Bedeutung eines wichtigen Reservenährmaterials hat, sodass seine Aufspeicherung in dem Boden, der dazu bestimmt ist, das befruchtete Ei aufzunehmen und zu ernähren, als eine Vorbereitung für diese Aufgabe betrachtet werden kann. Auch diese Kurve, die im Großen und Ganzen parallel mit der Schleimhautlinie verläuft, steigt zwei Tage nach Anfang der Gelbkörperbildung, folgt weiter der Funktionskurve des Corpus luteum und fällt steil ab, sobald dieses seine Rückbildung begonnen hat.

Die entfernt gelegenen Sexualorgane, die Brüste, machen ebenfalls die Wellenbewegung in unzweifelhafter Weise mit. Auch sie folgen den drei Stadien der Corpus-luteum-Welle, ihrem Ansteigen, ihrer Höhe und ihrem Abklingen.

Eine Kurve dieser zyklischen Mammaveränderungen finden Sie als Kreuzchenkurve in Abbildung V. Ich füge sie deshalb von oben in Abbildung V ein, weil sich die Brüste doch immer nur teilweise zurückbilden und also auch im Intervall noch bedeutend von der Nulllinie entfernt bleiben. Wie die Veränderungen in der Gebärmutterschleimhaut, die sich an die Tätigkeit des Corpus luteum anschließen, so sind auch die Vergrößerungen der Drüsenelemente in den Brüsten als Anfangsstadium von Schwangerschaftsveränderungen aufzufassen.

Für jedes Ei, das den Eierstock verlässt, erwartet die Natur also die Befruchtung. Jedesmal bereitet sie alles vor, was auf diese Befruchtung zu folgen hätte. Und jedesmal baut sie alle Vorbereitungen wieder ab, wenn die Erwartung nicht erfüllt wurde.

Dass die Brüste vor der Menstruation anschwellen, sich praller anfüllen und sich ihren Besitzerinnen sogar unangenehm bemerkbar machen können, ist eine allgemeine Erscheinung.

Diese Schwellung ist jedoch nicht identisch mit dem prämenstruellen Wachstum! Zum einen fallen die beiden Erscheinungen zeitlich nicht zusammen, und zum anderen kann die fühlbare Schwellung viel zu rasch kommen, als dass sie von einem Wachstum abhängig sein könnte.

Die gewöhnlich fühlbare Schwellung der Brüste mag wohl abhängig sein von einer vermehrten Blutfüllung, welche meistens durch eine Erweiterung der kleinen Blutgefäße bedingt ist. Diese kann aber nicht nur infolge der chemischen (z.B. innersekretorischen) Einflüsse zustandekommen, sondern ebenfalls auf reflektorischem Wege entstehen.

Ein Anschauungsbeispiel liefert die rasch vorübergehende Schwellung der Brüste, die bei manchen Frauen gerade in der Zeit zwischen zwei Menstruationen, genauer gesagt, kurz vor der Follikelberstung, zu beobachten ist.

In diesen Fällen ist ein Wachstum des Drüsengewebes mit Sicherheit ausgeschlossen. Dennoch zeigt sich die Schwellung. Sie wird verursacht durch einen reflektorischen Blutdrang, welcher von der zu dem Zeitpunkkt bestehenden erhöhten Spannung im Eierstock ausgeht, einer Kongestion, die sich nicht selten auch im Uterus bemerkbar macht.


Der Einfluss der Ovarialtätigkeit auf die Geschlechtsorgane ist stark und bedeutsam. Nicht weniger stark und nicht weniger bedeutsam ist dieser Einfluss auf den Gesamtorganismus der Frau.

Es ist bekannt, dass die wichtigsten Lebensprozesse bei der normalen Frau im geschlechtsreifen Alter gesetzmäßige Intensitätsschwankungen aufweisen. Einer Phase mit größerer Stärke, in die prämenstruellel Zeit fallend, folgt eine Phase mit geringerer Intensität, welche dem Menstruationsintervall entspricht. Diese geht wieder in eine aufsteigende Bewegung über, welche ein neues Höhenstadium einleitet. Und so geht es, wenn keine Schwangerschaft eintritt, ununterbrochen weiter, gewöhnlich mit großer Regelmäßigkeit in Perioden von vierwöchentlicher Dauer.

Diese Wellenbewegung ist für die Körpertemperatur, die Herztätigkeit, den Blutdruck, die Muskelkraft, die Harnausscheidung, den Stoffwechsel und für das wichtige Gebiet der Geschlechtsorgane selbst nachgewiesen.

Am einfachsten ist die besprochene Periodizität am Verlauf der Körpertemperatur zu beobachten, deren Kurve eine deutliche Sprache spricht und parallel zur jenen verläuft, welche die anderen Lebensverrichtungen darstellt, sodass sie sehr wohl als Repräsentantin der anderen betrachtet werden kann.

Am leichtesten und besten erkennt man den Gang der Körpertemperatur an der Kurve der Morgentemperatur, weil beim Aufnehmer dieser Temperatur, jedesmall zur selben Stunde, gleich nach dem Erwachen, die größte Wahrscheinlichkeit besteht, dass mann "reine" Temperaturen beobachten wird, welche von Nebenumständen, von der Nahrungsaufnahme, der Bewegungen usw. unbeeinflusst sind.

Wenn man dann die aus diesen Aufnahmen zusammengestellte Kurve noch nach der Methode von Bloxam bearbeitet, d.h. als den Wert (Temperatur) eines Tages denjenigen annimmt, welchen man als Durchschnitt des vorhergehenden, des folgenden und des betreffendes Tages selbst ermittelt, verringert man noch den Einfluss, den zufällige Umstände auf die Form der Kurve ausüben können.

Jeder kann eine solche Wahrnehmung unschwer selbst machen, wenn er eine gewissenhafte, regelmäßig lebende, gesunde und geschlechtsreife Frau bittet, jeden Morgen sofort nach dem Erwachen, mit einem guten Thermometer sorgfältig ihre Körpertemperatur aufzunehmen und sofort zu notieren. Diese Frau sollte auch über eine gewisse Bildung und einen gewissen häuslichen Wohlstand verfügen, andernfalls könnte es sich schwierig gestallten, verwertbare Angaben zu erhalten. Saalpatientinnen sind für solche Untersuchungen ebenfalls ungeeignet, zum einen, weil um die Zeit des Erwachens in einem Krankenzimmer die größte Unruhe herrscht, zum anderen, weil es sich nicht um vollständig gesunde Menschen handelt.


Wir haben nun die Bedeutung des Corpus luteum und seiner inneren Sekretion und die von der Menstruation mit sich gebrachten, zyklischen Veränderungen der Uterusschleimheit betrachtet. Diese beiden Daten haben wir in ihrem Verhältnis zueinander nunmehr anhand der betreffenden Kurven in Abbildung V gewürdigt.

Sehen wir uns nun an, wie sich diese zu der schwarz ausgezogenen Kurve verhalten, welche eine nach Bloxam bearbeitetete Morgentemperaturkurve als Repräsentante für die "allgemeinen" (im Gegegensatz zu den "örtlichen", sich in den Geschlechtsorganen abspielenden) Lebenserscheinungen darstellt:

Die schwarz ausgezogene Kurve der allgemeinen Lebensprozesse geht nicht nur parallel mit der gezackten Kurve der Uterusschleimhautveränderungen, sondern sie folgt in auffallender Weise der schräg gestrichelten Kurve der Funktionen des Corpus luteum. Dabei ist das Wort "folgen" im Anstieg der Kurve im striktesten Sinne zu nehmen.

Dem Temperaturanstieg geht nicht nur die beginnende Funktion des Corpus luteum voraus, sondern der Anstieg wird von dieser Funktion auch verursacht: Desgleichen werden Gipfelzeit und Abstieg der Temperatur von der Tätigkeit der gelben Körper, von ihrer Blüte und von ihrer Abnahme, beherrscht.

Ergo: Der gelbe Körper stimuliert durch seine innere Sekretion die allgemeinen Lebensvorgänge und reizt die Gebärmuttterschleimhaut zur Wucherung, während die Verminderung und Einstellung seiner Funktion einen Rückgang sowohl dieser allgemeinen Vorgänge als auch die Rückbildung der Uterusschleimhaut und den Eintritt der Menstruation verursacht.

Als Beleg, dass dies alles durch innere Sekretion und nicht durch Nebeneinflüsse geschieht, könnte ich zahlreiche Argumente - Ergebnisse bei Überpflanzung der Organe, Kastration, usw. - welche in der gynäkologischen Literatur niedergelegt sind, zitieren...

Dass der gelbe Körper in der Schwangerschaft weiterbesteht, und sich während der ersten Monate noch weiterentwickelt, ist seit Langem bekannt. Dass die Menstruation ausbleibt, weiß jedermann. Die fortschreitende Wucherung der Uterusschleimhaut hat man in ihrer Art und Bedeutung immer besser kennengelernt. Die ausgiebige Glykogenproduktion der Schleimhaut in den ersten Schwangerschaftsmonaten kennen wir durch Diessen. Die weitergehende Schwellung der Brüste ist uns geläufig, und dass sie durch fortschreitende Wucherung des Drüsengewebes verursacht wird, haben wir durch die Anatomie gelernt.

Die uns als prämenstruelle Höhen bei der Entwicklung und Funktion des Corpus luteum, der Brüste und Uterusschleimhaut bekannten Erscheinungen setzen sich also bei eintretender Befruchtung fort. Übertragen auf unsere Kurven bedeutet dies, dass sich die schräg gestrichelte, die aus Kreuzchen bestehende, die längs gestrichelte und die gezackte Kurve bei Schwangerschaft, anstatt am sechzehnten Tag nach der Ovulation steil abzufallen, auf Gipfelhöhe halten oder sogar noch langsam weitersteigen

Was man nicht wusste, ist, dass man von der schwarz ausgezogenen Kurve dasselbe sagen kann. Ich bin nun in der Lage, die Temperaturkurve einer gesunden, jungen, alle 28 Tage menstruierenden Frau zu zeigen, die während ihrer regelmäßigen Temperaturaufnahmen zum erstenmal schwanger wurde und dann auf meine Bitte hin die Aufnahmen bis zum Eintritt der Geburtswehen weiterführte. Vor der Schwangerschaft, und auch in späterer Zeit wieder, zeigte sich eine regelmäßige Wellenbewegung. Nach dem Eintreten der Schwangerschaft ist nicht nur die Menstruation, sondern auch der Abfall der Wellenhöhe ausgeblieben. Die Temperatur hält sich bis zum Ende des vierten Schwangerschaftsmonats (ein Schwangerschaftsmonat zählt 28 Tage) merkwürdigerweise auf derselben mittleren Höhe, fällt im Laufe des fünften und sechsten langsam und gleichmäßig und siebten schneller. Mit Anfang des achten Monats kommt dann ein neues Niveau zustande, das der mittleren Temperatur während einer Menstruationsperiode (also außerhalb der Schwangerschaft) entspricht und 12 bis 14 Wochen lang, bis zum Eintritt der Geburtswehen - wiederum in besonders auffallender Weise - beibehalten wird.

Die gesamte, beinahe 1,5 m lange Kurve kann ich hier leider nicht wiedergeben; in zusammengedrängter Form wird sie jedoch als Übersichtskurve gezeigt.  Der Verlauf dieser Schwangerschaftskurve stimmt mit dem Verhalten des Corpus luteum graviditatis (gelber Körper der Schwangerschaft) überein, das in Blüte bleibt bis etwa zum Ende des vierten Monats, dann aber eine langsame Rückbildung eintritt.

Die Schwangerschaftskurve zeigt keine Wellenbewegung, ebensowenig wie die Kurve der Frau, welche die Geschlechtsreife überschritten hat, oder die des noch nicht geschlechtsreifen Mädchens und ebensowenig wie die des Mannes.

Die Wellenbewegung der Lebensprozesse der geschlechtsreifen Frau und die Menstruation (welche eine Teilerscheinung und Folge dieses regemäßigen Auf- und Absteigens ist) sind völlig von der Tätigkeit der Eierstöcke abhängig.


Ich habe auf die Besprechung so viel Raum verwendet, weil sie für das tägliche Leben der Frau - und deshalb auch für die sie umgebenden Menschen, in erster Linie für ihren Partner - von größter Wichtigkeit sind.

Denn die Abwechselung in der Intensität und Art der verschiedenen Prozesse ist weit davon entfernt, sich abzuspielen, ohne dass die Frau davon etwas spürt.

Im Gegenteil: Ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden, ihre Widerstandskraft auf beiden Gebieten, werden hiervon stark beeinflusst.

Zeiten mit gehobener Stimmung, voller Tatendrang und Kraft, wechseln sich mit anderen Phasen ab, in denen sich ein Manko bemerkbar macht.

Die ersten zeigen sich während des Anstiegs und des Höhestands der Welle, die letzten vorzugsweise dann, wenn die Welle schnell abfällt, inbesondere in den der Menstruation vorangehenden ein bis zwei Tagen und während des Anfangs der Menstrualblutung; außerdem nicht selten in den Tagen des Wellentals, besonders dann, wenn dieses ausgesprochen tief ist.

Was das Körperliche betrifft, so bestehen in diesen Zeiten eine verringerte Leistungsfähigkeit, eine leichte Ermüdung und ein allgemeines Missgefühl, des Weiteren eine Neigung zum Hervortreten von bestehenden, aber sonst sich weniger bemerkbar machenden Erkrankungen oder zur Verschlimmerung bedeutender Krankheiten, sowie eine größere Empfindlichkeit schädlichen Einflüssen (z.B. Infektionen) gegenüber.

Auf physischem Gebiet gibt es die diesen Tagen eigene Depression bei macher Frau noch stärker kund. Viele, die sonst geistig und körperlich völlig gesund und munter sind, zeigen sich dann bedrückt und missmutig, andere sind nervös und erregt.

Reizbarkeit, Empflindlichkeit, Launenhaftigkeit, Verstimmng und rascher Stimmungswechsel, Neigung zum Streit und Unverträglichkeit sind Erscheinungen, die den erwähnten Zeiten bei manchen Frauen, die sonst nicht daran leiden, vorkommen.

Es ist selbstverständlich, dass die Frau, der Partner und der Arzt diesen Depressionen auf körperlichem und seelischen Gebiet Rechnung zu tragen haben, wobei sie oft all ihren Takt, all ihre Selbstbeherrschung und die Ehemänner all ihre Liebe brauchen.

Besonders die Frau hat sich in dem Kampf mit sich selbst, den sie an solchen Tagen auszufechten hat, den Grundsatz vor Augen zu halten, dass sie sich zwar körperlich gewissermaßen schonen muss und sich also keine unnötigen Anstregungen aussetzen sol, dass sie aber beraten ist, der Neigung, sich gehenzulassen, mit festem Willen entgegenzuarbeiten, weil ihr aus dieser heraus große Lebensschwierigkeiten drohen.

Und weiter handelt sie richtig, wenn sie sich den körperlichen Grund ihrer seelischen Verstimung an diesen Tagen in jedem schwierigen Augenblick vergegenwärtigt. Kann sie sich, wenn ihr die Welt schrecklich, das Leben unerträglich, ihre Mitmenschen scheußlich vorkommen - oder wennn sie sich schwer zurückgesetzt glaubt und in Begriff ist, Streitigkeiten mit den ihr sonst geliebten Menschen anzuzetteln - die Phase ihrer Wellenkurve vor ihrem geistigen Auge vorstellen, so wird sie mit einem kleinen inneren Schmunzeln die trüben oder gereizten Gedanken zurückdrängen und sich sagen:

"Bald sieht die Welt auch wieder anders aus!"

In diesen Tagen hat es die Frau gewiss nicht leicht, weil sie sich durch "nichts" verstimmt fühlen kann. Gerade an solchen Tagen kann sie durch Selbstbeherrschung ihre Würde zeigen.

Und der Mann?

Für den gibt es (Schwangerschaft und abnormale Umstände außer Betracht gelassen) zwei Zeiten, in denen er sich durch Takt und Selbstbeherrschung als kluger Gefährte zu zeigen hat:

In den ersten Tagen der Ehe

und in den ersten Tagen des Wellenabfalls.

Das zweite ist weitaus schwieriger, auch weil es sich immer wiederholt, aber nichts destotrotz ebenso notwendig wie das Erste.


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Weiter (Die Menstruation)


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Abbildung V:

Ovarialfunktion, Wellenbewegung und Menstruation


Abbildung VI:

Temperaturkurve

bei erstmaliger Schwangerschaft


Anschwellen der Brüste

Doppelaufgabe der Eierstöcke

Corpus luteum = Gelbkörper

Eigeburt und Eitod

Einfluss auf Wohlbefinden

Körpertemperatur

Schutz des Eies nach Loslösung aus Eierstock