Und wenn es
doch ganz anders ist?



Gleich vorweg ein unschönes Wort:
Geschwüre, genauer gesagt, Magengeschwüre.

Heute weiß jedes Kind, dasss Geschwüre durch Stress und durch Übersäuerung im Magen entstehen. Angeblich!

Aber wieso kommt es dann, dass es einigen Patienten besser geht, wenn sie Antibiotika einnehmen? Diese Frage stellten sich zwei australische Forscher.

In der Wissenschaft nennt man so etwas, eine „Anomalie“ – das ist etwas Ungewöhnliches, wofür es keine plausible Erklärung gibt.
Die meisten Menschen – auch Wissenschaftler – ignorieren solche Anomalien, aber diese beiden Ärzte stellten sich die Frage, ob Bakterien vielleicht doch etwas mit Geschwüren zu tun haben könnten.

Von ihrer Ausbildung her wussten sie jedoch, dass in der Magensäure keine Bakterien leben können.

Als sie in Ärztekreisen öffentlich entsprechende Äußerungen von sich gaben, wurden sie verlacht. Aber sie blieben hartnäckig. Wer zuletzt lacht, lacht am besten, sagt der Volksmund.

Nun, im Jahre 2005 erhielten diese beiden Forscher, Barry Marshal und Robin Warren, den Nobelpreis für die Entdeckung des Magenbakteriums Helicobacter pylori. Dieser Keim führt bei einigen Menschen zu Magengeschwüren.

Das verdanken sie dem Umstand, dass sie sich eine Frage gestellt haben:

„Und wenn das doch nicht stimmt, was ich immer geglaubt habe?“


In der Wissenschaft wimmelt es nur so von Anomalien!

Irgendwann gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde ein Experiment mit Licht durchgeführt, bei dem sich herausstellte, dass die gemessene Geschwindigkeit immer dieselbe ist, egal ob die Messung mit der Erdrotation oder gegen sie stattfand. Das war eine Anomalie. Ein gewisser Albert Einstein fragte sich: „Und wenn das doch nicht stimmt, was ich immer glaubte?“
So entstand die Relativitätstheorie.

Viele solcher Anomalien werden schlichtweg totgeschwiegen.
Da erwacht eine Frau nach einem größeren chirurgischen Eingriff und wiederholt die Gespräche, die die Chirurgen miteinander führten, während sich die Frau unter Narkose befand. Ihr Körper und ihr Geist waren außer Funktion gesetzt worden, sie war an eine Herz-/Lungen-Maschine angeschlossen. Sie konnte das Gespräch unmöglich mitgehört haben. Schließlich weiß doch jeder, dass das Bewusstsein bloß eine Gehirnfunktion von herumfunkenden Neuronen ist.

Oder vielleicht doch nicht?

Aber wenn das nun nicht stimmt, was wir immer geglaubt haben?
Warum gehen wir einer solchen Frage so gerne aus dem Wege?

Weil ...

wir Recht haben wollen; wir haben Gefühle ins Rechthaben investiert.

Gefühle sind jedoch nichts Rationales!

Als Testpersonen gebeten wurden, zwei Redner zu bewerten, wobei sie mit den Aussagen des einen einverstanden waren und mit denen des anderen nicht, zeigten die rationalen Bereiche des Gehirns keinerlei Aktivität, sondern nur in den emotionalen Bereichen war eine Aktivität zu verzeichnen.

So ist das halt bei uns Menschen. Dieser Umstand hindert uns daran, neue Ideen an uns heranzulassen, und je mehr diese neuen Anschauungen dem widersprechen, was wir immer schon geglaubt haben, umso mehr werden unsere Gefühle darum kämpfen, uns auf der Gefühlsebene zu halten – nicht aber auf der rationalen. Und so bleiben wir unwissend. Deshalb machen die meisten Menschen nur dann wirkliche Fortschrittte, wenn sie eine persönliche Krise durchmachen. Die Krise wird zum Lehrmeister.

Unsere alten Anschauungen müssen jedoch erst das Feld räumen, bevor neue Ideen gepflanzt werden können. Glauben Sie nicht alles, was die Schulwissenschaft verkündet, stellen Sie sich ab und zu die Frage: „Und wenn das, was ich immer schon geglaubt habe, doch nicht stimmt?“

Dem deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer (1949 – 1963) wird der Spruch nachgesagt: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“. Ein weiteres Zitat von ihm lautete: „Wir leben alle unter demselben Himmel, aber wir haben nicht alle denselben Horizont“. „Ach, der Adenauer – nicht mein Fall“. Und wenn das gar nicht stimmt, was Sie immer geglaubt haben?

Es geht hierbei nicht um Parteipolitik, es geht um Weisheit – und um geistige Aufgeschlossenheit. Deshalb ist es gut, sich ab und zu die Zauberfrage zu stellen:

„Und wenn das gar nicht stimmt,
was ich immer geglaubt habe?“