Freisein durch Bindung

von C. Terry Warner

Auszüge aus dem Buch
"Bonds That Make Us Free"
als Vertiefung zum E-Book
So gewinnen Sie Ihr Herzblatt wieder für sich





Kapitel 2:
Festgefahren sein


Wie oft habe ich schon gehört, dass man alles Menschenmögliche daran setzen soll, um eine negative Einstellung zu ändern oder eine brüchige Beziehung zu retten und dann zusehen müssen, dass die Menschen immer wieder scheitern und letztendlich die Hoffnung aufgeben.

Dies scheint mir der traurigste Aspekt negativer Gefühle oder Einstellungen zu sein: Wir wissen einfach nicht, wie wir diesen Mechanismus stoppen sollen. Wir fühlen uns ihm ausgeliefert. Was für eine wilde Ironie! Da sind wir einerseits mit der Fähigkeit ausgestattet, uns ein glückliches und erfülltes Leben auszumalen, aber auf der anderen Seite sehen wir schlichtweg keine Möglichkeit, dies in die Praxis umzusetzen.

Wir haben noch nicht einmal eine passende Bezeichnung für diese verfahrene Würgegriffsituation. Zwar handelt es sich eindeutig um einen schädlichen Zustand und, in seinen extremen Ausprägungen, um eine Art Gefühlskrankheit, dennoch haben wir in unserer Alltagssprache keinen Ausdruck, der alle Fassetten dieses Zustands gebührend beschreiben könnte.

Das gilt auch für andere wichtige Aspekte dieses Festgefahrenseins, einschließlich der Ursachen und Folgen für unseren Umgang mit unseren Mitmenschen. Wir haben schlichtweg keine Bezeichnung dafür. Da es uns an Begriffen oder Worten fehlt, bleibt uns ihre wahre Natur überwiegend verborgen und wir können uns selbst nicht verstehen, wenn etwas schief geht. Wir stehen der Art unserer betrüblichsten persönlichen Probleme blind gegenüber.

Wir müssen also zunächst eine sprachliche Umschreibung für das Festgefahrensein in negativen Gefühlen oder Einstellungen finden. Ich nenne diese Zustände
„negativ“,
„angreifend“,
„betrübt“,
„besorgt“
"problematisch"
und „beunruhigt“,
wohlwissend, dass keines dieser Worte alles umfasst, was ich zu vermitteln versuche.

Das meine ich mit „Festgefahrensein“:
Wir nehmen wahr, dass andere Menschen oder Umstände mehr Macht über unser eigenes Glück haben als wir selbst.

Wir reden uns ein, dass diese in der Lage sind, in uns betrübliche Gefühle auszulösen und dass wir selbst hiergegen absolut nichts tun können, egal, was wir auch versuchen.

Wir fragen uns, wie wir jemals wirklich glücklich, innerlich zufrieden und erfüllt sein können. Dies ist offenbar solange nicht der Fall wie wir uns verletzt, provoziert oder angegriffen fühlen.

Wie kommen wir aus diesem Schlamassel wieder heraus?

Ich erinnere mich an eine Situation, in der in meinem eigenen Leben viel gelitten habe: Das Fleisch meines Körpers juckte unerträglich als wäre es von innen gefüttert. Die Haut juckte von innen her, es kribbelte wie ein Drahtbürstengeflecht. Kratzen half überhaupt nichts - es machte alles noch schlimmer.

Unsere beunruhigenden Einstellungen, Gefühle und Stimmungen sind diesem Kribbeln ähnlich: Nur selten können wir etwas tun, das wirklich Abhilfe schafft. Selbst „Powergefühle“ wie Wut und Hass bringen ein Gefühl des Nicht-Stoppen-Könnens mit sich, ein Gefühl, das andere Menschen in uns auslösen. Mit dem, was sie tun oder sagen, „machen“ sie uns wütend oder ärgerlich.

Die Zwickmühle, die ich hier beschreibe, ist so alt wie die Zeit. Über nichts wurden widersprüchlichere Ratschläge erteilt. Jede profunde ethische oder spirituelle Lehre geht auf die eine oder andere Weise darauf ein. Dasselbe gilt für Lehren über weltlichen Erfolg.

Einige bieten Strategien für die Pflege der Gelassenheit inmitten dieser Bedrängnis an, andere wiederum zeigen uns einen Weg der Liebe auf, der uns angeblich von Angst und Frustration wegführen soll.

Wieder andere ermutigen uns, uns durchzusetzen und zu behaupten, und unsere Rechte zu verteidigen, damit Andere uns nicht ausnützen oder uns zum Narren halten.

Einige treten für Verhandlungen ein, über die wir uns den Respekt und die Mitarbeiter unserer Mitmenschen verdienen.

Und wieder andere empfehlen Vorsicht, Pessimismus oder Resignation als Taktikten, um uns weniger verletztbar zu machen.

Allgemein lässt sich sagen, dass solche Glücksrezepte nicht sonderlich gut funktionieren.

Dies deshalb, weil sie uns nicht aufzeigen, wie unsere Herzen geändert werden können.

Mit „Herz“ meine ich auch unsere beunruhigten Gefühle und Einstellungen, welche uns in der verfahrenen Situation festhalten. Dieses Scheitern ist fatal, weil ohne eine Änderung des Herzens alles, was wir tun, den Ruch des Manipulierens, des Eigennützen oder der ängstlichen Absicht hat und andere Menschen dies rasch erkennen werden. (Die ach so „reife“ und „weiche“ Art, in der ich im Badezimmer mit Matthew gesprochen habe, ist hier ein Beispiel. Statt mich um ihn zu sorgen, griff ich ihn an, in dem Bemühen, selbst besser dazustehen. Dies war im sofort klar). Die in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts begonnene Selbsthilfebewegung leidet besonders unter diesem Mangel, da die persönlichen und Beziehungsfertigkeiten, welche sie kultivieren will, fast immer darauf ausgerichtet sind, uns mehr von dem zu besorgen, was wir meinen zu wollen, statt eine Herzensänderung herbeizuführen.

Sehr häufig beruhen die Ratschläge, die wir uns gegenseitig erteilen, auf einer Fehldiagnose, was ja auch auf die Experten zutrifft. Unser Ratschlag geht davon aus, dass diejenigen, die sich in einer festgefahrenen Situation befinden, in der Lage seien, die Ursache ihrer Probleme festzustellen. Wenn wir festgefahren sind, glauben wir jedoch fälschlicherweise, dass das Problem bei den Anderen liegt, auch wenn es in Wahrheit in uns selbst besteht. Wir entwickeln Strategien, um uns selbst Erleichterung von diesen unerwünschten Gefühlen zu verschaffen, ohne den Weg zurückzuverfolgen, der uns soweit gebracht hat. Da wir uns um die Ausgangsdiagnose nicht kümmern, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass wir Mittel finden, die uns grundlegend helfen werden.

Eine gründliche Diagnose kann jedoch zur Heilung führen. Dies war der Fall mit meinem inneren Kribbeln. Über beinahe zwei Jahre hinweg, in denen ich versuchte, mich von einer seltenen Hepatitis - einer Krankheit, die die Leber angreift - zu erholen, war es immer schlimmer geworden. Meine Frau, Susan, ging mit der ihr eigenen Beharrlichkeit daran, der Ursache auf die Spur zu kommen. Sie berücksichtigte dabei, dass meine Mutter und meine Schwestern jeweils in den Endphasen ihrer Schwangerschaften bereits unter demselben Kribbeln gelitten hatten, was auf eine so genanne Cholestase zurück zu führen war, wobei die Leber nicht richtig arbeitet und es zu einem Stau von Gallenflüssigkeit kommt. Sie folgerte deshalb, dass ich aufgrund meiner Verwandschaft ebenfalls eine Leber habe, die nicht richtig funktionieren würde und setzte mich auf eine strenge Diät. Diese habe ich seitdem brav befolgt. Und voilà! Das Kribbeln nahm fast auf der Stelle ab. Die Problemursache zeigte den Weg zur Heilung auf - in diesem Fall weniger eine Linderung des Kribbelns als vielmehr eine Vermeidung ihres Auftauchens.

Der Wahrheit Tribut zollen

Dadurch, dass wir die Wahrheit über eine problematische Situation in unseren Körpern kennen lernen, können wir Maßnahmen ergreifen, um Abhilfe zu finden. Die richtige Diagnose ist die halbe Heilung.

Bei Gefühlen und Beziehungen ist die Wahrheit jedoch bereits die Heilung!

Im Bereich der Gefühle und geistigen Einstellungen befreit uns das ehrliche Verständnis von uns selbst von unseren festgefahrenen Gefühlen.

So war ich zum Beispiel aufgrund dessen, was ich Matthew angetan hatte, geschockt und entmutigt - es brachte jedoch auch meine fromm-bestrafende Haltung zu einem Ende. Ich konnte mir nicht auf der einen Seite die Wahrheit selber eingestehen und mich auf der anderen Seite ihm gegenüber gleichzeitig weiter hartherzig verhalten. Dieser Augenblick der Wahrheit nach unserer Konfrontation im Badezimmer war das Richtfest für bessere Zeiten zwischen uns.

Mandy, die sich solange Zeit in ihrem Leben ungeliebt gefühlt hatte, war der Meinung, dass ihre Probleme daher rührten, dass ihr Vater sie ablehnte. Sie kam jedoch zu der Einsicht, dass sie für ihre Gefühle und dafür, wie ihre Erinnerung dadurch verzerrt wurde, selbst verantwortlich ist. Und diese Anerkennung der Wahrheit war es schließlich, die sie von ihren Gefühlsproblemen befreite.

Norman, der Geschäftsinhaber, der seine Mitarbeiter unter der Fuchtel hielt, tat etwas ähnliches: Er sah die Art und Weise, in der er Menschen behandelte, in einem neuen und ehrlicherem Licht und gelangte dadurch zu der plötzlichen Einsicht, warum sie sich ihm widersetzten. Dadurch wurden sie für ihn wichtiger und aufgrund seiner eigenen Veränderung begannen auch sie, sich kooperativer zu verhalten.

Victoria, die verantwortungslose Teenager hatte, erreichte in ihrer Familie das, was Norm im geschäftlichen Bereich gelang. Eine Zeitlang zumindest. Sie erkannte, dass sie nur eine einzige Art geduldet Art, wie etwas zu geschehen habe - ihre eigene! Wenn jemand aus ihrer Familie davon abzuweichen versuchte, bestand ihre Reaktion aus Strafe und Zurechtweisung. Mit dieser neu gewonnen Einsicht konnte sie ihre Gefühle verändern und es entstand in ihr der Wunsch, ihren Kindern zuzuhören statt sich mit ihnen zu zanken.

Leider hielt sie dies nicht durch. Dies alten problematischen Gefühle und verbitterten Beziehungen kamen wieder hoch. Die Unmöglichkeit, diese Veränderung auf der Herzensebene aufrecht zu erhalten, ist für uns ebenso lehrreich wie die eigentliche Veränderung.

Auf diese und viele andere persönliche Geschichten werden wir im Laufe dieses Buches noch weiter eingehen. Dies ermöglicht uns die Einsicht, dass wir unsere gefühlsmäßigen Belastungen auch dann verabschieden können, wenn sie sehr bedrückend wirken und dass wir uns von Rückfällen erholen können. Wir werden ebenfalls erkennen, warum so vielen Menschen, die dies wünschen, der Erfolg nicht vergönnt ist und wie wir diese Fehler vermeiden können.

Da das ehrliche Selbstverständnis eine so entscheidende Rolle bei der Herzensveränderung spielt, möchte ich zunächst nicht auf die Lösungen für unsere Gefühlsprobleme eingehen, sondern mich stattdessen erstmal auf die Ursachen und die Art solcher Probleme konzentrieren. Solange wir die Wahrheit über unseren Zustand nicht erkennen, wird uns unser weitergehendes Missverständnis über uns selbst auf den Holzweg führen und die Sache nur noch schlimmer machen - ähnlich dem verzweifelten Kratzen meiner juckenden Stellen.

Ich wuchs in San Francisco auf. Als ich klein war, brachte mir mein Vater aus Chinatown ein etwa 15 cm langes, gewebtes Rohr mit, das etwa den Durchmesser eines Zeigefingers hatte.

Er nannte es die „chinesischen Handschellen“.


Wenn man auf einer Seite einen Finger hineinsteckte und dann versuchte, den Finger wieder aus dem Rohr herauszuziehen, zog sich das Rohr zusammen. Je mehr man zog - was das Naheliegende und Logische zu sein schien - umso enger zog sich das Rohr um den Finger zusammen.

Sobald man jedoch erkannt hatte, warum dies der Fall war, tat man das Unlogische - und lies los.

Man muss nach innen zu den Fasern hin drücken; auf diese Weise entspannt sich das Rohr. Dann kann man seinen Finger problemlos herausziehen.

Sobald wir lernen, wie uns unsere problematischen Gefühle und Einstellungen im Griff halten, weil wir ein verkehrtes Verständnis über die Art und Weise, in der sie dies mit uns tun, haben, geben wir die erfolgslosen Strategien auf, um ihnen zu entkommen. Unsere neu gewonnene Einsicht verhilft uns dazu, diesem Griff zu entkommen. Dies geschieht über den Weg des Ehrlichseins mit uns selbst.

Solange wir aber in diesen betrübten Gedanken und Gefühlen festhängen und Erleichterung brauchen, wird die in diesem I-Buch beschriebene Abhilfe unlogisch erscheinen - so wie die chinesischen Handschellen für den Nichteingeweihten ein Geheimnis darstellen. Dieses I-Buch kann dieses Problem beseitigen. Kapitel um Kapitel wird das Fehlverständnis über unsere gefühlsmäßigen Probleme verschwinden und die Abhilfe wird sich völlig natürlich entfalten.

Dem ist ein kleiner Warnhinweis hinzuzufügen: Dass Sie das Verständnis über Ihr eigene Selbst gewonnenen haben - was Sie merken werden - ist noch nicht das Ende der Arbeit. Im Gegenteil. Eigentlich fängt es dann erst an. Das Gute daran ist, dass Sie Ihre Einsichten und Ihre Gefühle zu diesem Zeitpukt in die Lage versetzen werden, aufgrund eigener Anschauungen und Erfahrungen für die weiteren Wachtumsphasen zu lernen.

Die Voraussetzung dafür ist allerdings Ihre Lernbereitschaft.