Die Wissenschaft
des gesunden Lebenswandels


von Wallace D. Wattles

Kapitel 11



Wie man essen soll


Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass der Mensch seine Nahrung kauen sollte. Die wenigen Sonderlinge, die die Auffassung vertreten, dass die Nahrung ungekaut hinuntergeschlungen werden sollte, wie das Krokodil dies macht, werden heutzutage nicht mehr ernst genommen. Wir wissen also, dass wir die Nahrung kauen sollen. Und wenn das Kauen somit eine natürliche Zwischenstufe ist, kann es für den Prozess nur umso besser sein, je gründlicher wir kauen. Falls Sie jede Mundvoll bis ins Kleinste zerkauen, brauchen Sie sich keine Sorgen darüber zu machen, ob Sie genügend Nährstoffe erhalten, da Sie nach dem Gesetz der Natur ohnedies bereits die besten Nahrungsmittel ausgewählt haben.

Ob das Kauen für Sie eine lästige Angelegenheit oder etwas Angenehmes ist, hängt von Ihrer geistigen Einstellung an, mit der Sie sich zu Tisch setzen.

Solange Sie geistig bei anderen Dingen verweilen oder sich über Ihre Geschäfte oder Privatangelegenheiten krämen, werden Sie es beinahe unmöglich finden, zu essen, ohne dabei auch mehr oder weniger zu schlingen. Sie müssen lernen, so wissenschaftlich zu leben, dass es keine beruflichen oder privaten Dinge gibt, die Ihnen Sorgen bereiten. Dies ist durchaus möglich.

Darüber hinaus müssen Sie Ihr Leben so gestalten, dass Sie nicht von anderen gestört werden, die Ihnen die Freude am Essen vergällen. Auf diese Weise können Sie sich mehr auf das Essen konzentrieren.

Der Punkt, dass Sie nur dann essen sollten, wenn Sie sich ausgeglichen fühlen, kann nicht betont genug werden. Bevor Sie mit dem Essen beginnen, sollten Sie sich auf Dankbarkeit einstimmen und dann jeden Bissen genießen. Nach dem Essen sollten Sie sich erneut auf Dankbarkeit für die Ihnen zuteil gewordene Lebenskraft besinnen. Diese geistigen Handlungen werden Ihnen bei der physischen Extraktion der Lebenskraft aus der Nahrung helfen und dem Lebensprinzip in Ihnen zur vollen konstruktiven Aktivität verhelfen.

Achten Sie beim Essen deshalb darauf, aus diesem Vorgang möglichst viel Vergnügen für sich zu ziehen. Lassen Sie während dieser Zeit alles andere beiseite und lassen Sie sich nicht vom Essen und seinem Geschmack ablenken, solange Sie damit beschäftigt sind. Seien Sie zuversichtlich, denn immerhin wissen Sie, dass Sie bei Befolgung dieser Hinweise die richtige Nahrung zu sich nehmen, die Ihnen bekommt.

Setzen Sie sich freudig zu Tisch und nehmen Sie ein kleine Portion Nahrung zu sich. Nehmen Sie das zu sich, was Ihnen bekommt. Nehmen Sie nicht das, von dem Sie annehmen, das es für Sie gut sei, sondern das, was Ihnen schmeckt. Falls Sie gesund werden und gesund bleiben wollen, müssen Sie sich von der Vorstellung verabschieden, irgendetwas zu tun, weil es gut für Ihre Gesundheit sei; tun Sie stattdessen das, was Sie tun wollen. Wählen Sie die Nahrung aus, die Sie am liebsten wollen, danken Sie Gott dafür, dass Sie gelernt haben, wie man essen soll, um die Verdauung zu fördern und nehmen sie einen kleinen Bissen zu sich.

Konzentrieren Sie sich nicht auf den Kauvorgang als solchen. Konzentrieren Sie sich auf den Geschmack der Nahrung. Schmecken und genießen Sie sie, bis sie zu einer Flüssigkeit zerkaut ist und durch unbewusstes Schlucken leicht den Rachen hintergleitet.

Denken Sie nicht an die Zeit, unabhängig davon, wie lange es dauert. Denken Sie an den Geschmack. Gestatten Sie Ihren Augen nicht, den Tisch daraufhin abzusuchen, was Sie als nächstes essen werden. Lassen Sie sich auch nicht von der Angst plagen, dass nicht genügend vorhanden sein könnte. Denken nicht bereits im vorhinein an den Geschmack von etwas. Behalten Sie Ihr Denken konzentriert beim Geschmack dessen, was Sie gerade essen!

Mehr ist nicht zu beachten!

Auf wissenschaftliche und gesunde Weise zu essen, ist etwas sehr Schönes, sobald Sie wissen, wie Sie davon vorgehen sollen und die schlechte Angewohnheit des Hinunterschluckens überwunden haben. Am besten unterhalten Sie sich während des Essens nicht allzu ausgiebig. Seien Sie guter Laune, aber nicht zu gesprächig. Für Gepräche ist auch danach noch Zeit.

Manchmal ist ein gewisses Maß an Willenskraft erforderlich, um sich das richtige Essen anzueignen. Die Nahrung unzerkaut hinunterzuschlucken, ist unnatürlich und ist sicherlich auf Angst zurückzuführen. Nämlich auf die Angst, dass wir unserer Nahrung beraubt würden, dass wir nicht genug abbekämen, dass wir wertvolle Zeit verlören ...
Dies sind die Ursachen der Eile. Dazu kommt die Vorfreude auf die Nachspeise und der Wunsch, diese möglichst rasch zu erhalten. Und schließlich die geistige Zertreutheit oder das Verweilen bei anderen Gedanken während des Essens. Alle diese Dinge sind zu überwinden.

Sobald Sie feststellen, dass Ihr Geist zu wandern beginnt, rufen Sie ein Halt auf. Denken Sie eine Zeitlang an die Nahrung und wie sie schmeckt, denken Sie an die vollkommene Verdauung und Verwertung nach der Nahrungsaufnahme und essen Sie erst dann weiter. Fangen Sie immer wieder erneut an, auch wenn es während einer Mahlzeit zwanzig Mal sein sollte. Auf diesen Weise können Sie sich durch Ausdauer die so genannten "Fletcher-Technik" aneignen; sobald sie das Fletschern beherrschen, werden Sie ein bislang unbekanntes gesundes Vergnügen erfahren.


Horrace Fletcher (1849 - 1919) war ein britischer Ernährungsreformer, der eine besonders gründliche Kautechnik entwickelt hat. Diese wird in einem Artikel der Berliner Zeitung vom 28.05.1999 beschrieben.


Dies ist ein grundlegender Punkt; Sie sollten sich damit eingehend befassen!

Bei den richtigen und perfekt zubereiteten Ausgangsstoffen wird das Gesundheitsprinzip auf jeden Fall einen vollkommen gesunden Körper erschaffen und Sie können dabei nicht anders vorgehen als oben beschrieben.

Falls Sie vollkommen gesund sein wollen, müssen Sie auf diese Art und Weise essen. Dies ist möglich und erfordert lediglich etwas Beharrlichkeit. Was nützt es Ihnen, von geistiger Kontrolle zu reden, solange sich selbst soweit in Griff haben, dass Sie Ihr Essen nicht mehr hinunterschlingen? Was hilft es, von Konzentration zu reden, wenn Sie sich beim Essen nicht einmal 15 oder 20 Minuten lang auf diesen Vorgang konzentrieren können, zumal Ihnen dies auch ein beträchtliches Vergnügen bringt?

Arbeiten Sie an sich! In wenigen Wochen oder Monaten werden Sie die Gewohnheit des wissenschaftlichen Essens verinnerlicht haben und werden sich bald geistig und körperlich in einer so ausgezeichneten Verfassung befinden, dass Sie nicht mehr veranlassen kann, wieder zur früheren Schludrigkeit zurückzukehren.

Wir haben gesehen, dass ein nur an Gesundheit denkender Mensch dafür sorgt, dass seine internen Abläufe auf gesunde Art und Weise vor sich gehen und wir haben auch gesehen, dass die Voraussetzung für gesunde Gedanken darin besteht, dass der Mensch die bewussten Abläufe auf gesunde Art und Weise durchführen muss. Die wichtige der bewussten Abläufe ist das Essen; es ist keineswegs besonders schwierig, auf eine völlige gesunde Art und Weise zu essen.

Hier eine Zusammenfassung darüber,

• wann
• was und
• wie wir essen sollen sowie der entsprechendne Gründe:

Essen Sie nur, wenn Sie einen wirklichen Hunger verspüren! Dabei ist unerheblich, wie lange Sie schon nichts mehr gegessen haben. Der Grund dafür ist, dass dann, wenn das System Nachschub benötigt, auch die Fähigkeit zur Verdauung besteht. Das Unterbewusstsein macht durch das Gefühl des Hungers auf diesen Umstand aufmerksam.

Lernen Sie, zwischen echtem Hunger und unnatürlichem Appetit zu unterscheiden. Der Hunger ist nie ein unangenehmes Gefühl, das von Schwäche oder Magenknurren begleitet wird, er ist vielmehr ein angenehmer, vorauseilender Wunsch nach Nahrung. Er zeigt sich nicht zu festen Zeiten und in regelmäßigen Zeitabständen. Er kommt nur, wenn der Körper zur Aufnahme, Verdauung und Verwertung von Nahrung bereit ist.

Essen Sie die Nahrung, die Sie wollen, wobei Sie aus dem Angebot in Ihrer Wohngegend auswählen. Die Hohe Intelligenz hat die Menschen auf die Auswahl von Nahrung geleitet, die für das Stillen des Hungers geeignet ist. Der Instinkt, der die Menschen zu dieser Nahrung greifen lässt, ist gottgegeben. Und Gott macht macht keine Fehler.

Nehmen Sie Ihre Nahrung gerne und in angenehmer Atmosphäre zu sich und genießen Sie jeden Bissen!
Zerkauen Sie alles zu einer Flüssigkeit, wobei Sie sich auf den Vorgang konzentrieren. Auf diese Weise essen Sie bewusst; das Ergebnis kann dann nur positiv sein!

Bei der Erlangung von Gesundheit gilt dasselbe Gesetz wie bei der Erlangung von Reichtum:

Sofern Sie darauf achten, dass jede einzelne Handlung in sich bereits erfolgreich ist, muss die Gesamtheit Ihrer Handlungen zwangsläufig ebenfalls erfolgreich sein!


Wenn Sie so essen, wie hier beschrieben, braucht dem Vorgang nichts hinzugefügt zu werden, er läuft auf vollkommen Art und Weise ab. Wenn die Nahrungsaufnahme auf vollkommene Art und Weise erfolgt, erfolgen auch Verdauung, Verwertung und die Neuerstellung eines gesunden Körpers auf vollkommene Art und Weise.

Im nächsten Kapitel wollen wir auf die Menge der Nahrungsaufnahme eingehen.



Appetit oder Hunger?

Wallace Wattles schreibt: "Der Hunger ist nie ein unangenehmes Gefühl, das von Schwäche oder Magenknurren begleitet wird, er ist vielmehr ein angenehmer, vorauseilender Wunsch nach Nahrung."

Hier muss man zunächst verstehen, dass sich Wattles auf das Hungergefühl bei Menschen bezieht, die dann essen können, wenn Sie Hunger verspüren. Diese Aussage bezieht sich nicht auf Menschen, denen es an Nahrung fehlt.

Des Weiteren könnte diese Aussage für Leute mit Lebensmittelallergien, oder Essstörungen, Blutzuckerproblemen oder einem anderen biochemischen Ungleichgewicht missverstanden werden. Der Verzehr von Süssigkeiten oder die Aufnahme von Alkohol vertuscht das Hungergefühl ebenfalls.

Bei Lebensmittelallergien verspüren Sie ein paar Stunden nach dem Essen eventuell ein Gefühl der Schwäche, Gereiztheit und eine Reihe anderer unangenehmer Gefühle. Es kann auch vorkommen, dass Sie genau nach der Nahrung Appetit verspüren, die Ihre Unpässlichkeit auslöst. Dies wäre ein "unnatürlicher Appetit".

Alkohol und Süssigkeiten (einschließliche Säfte und Limonade) verursachen meist ebenfalls einen "unnatürlichen Appetit". Nach ihrem Genuss hat man in der Regel Lust auf mehr Essen als sonst.

Nimmt man viel Nahrung mit einem niedrigen Nährwert oder mit leeren Kalorien zu sich, so besteht eine Unterversorgung des Körpers mit Nährstoffen. Das Hungersignal wird dann verwässert, weil der Körper zwar die Nährstoffe haben will, nicht aber die Kalorien braucht. Meist isst die betroffene Person dann weiter, um diesen Mangel zu decken, begeht jedoch den Fehler, weiterhin "leere" Nahrung zu sich zu nehmen. Auch dies wäre ein Fall von "unnatürlichem Appetit".

Sollten Sie Probleme mit der Blutzuckerregulierung haben (Unterzuckerung, Diabetes), wird Ihr Körper seinen Nahrungsmittelbedarf über dieselben Symptome der Schwäche, Gereiztheit und Unpässlichkeit bekannt geben. In diesem Fall haben Sie wirklich Hunger.

Bei einer Essstörung, wie sie bei Fresssucht, Bulemie oder Magersucht vorliegt, ist es eventuell unmöglich, einen wahren Hunger zu verspüren. Dasselbe kann zutreffen, wenn Sie Arnzeimittel einnehmen, die zu Übelkeit führen oder Ihren Wunsch nach Nahrung anderweitig beeinflussen. In all den genannten Fällen sollten Sie Ihren Arzt aufsuchen, um Wattles Vorschläge mit ihm zu besprechen.




Weiter zu Kapitel 12