Sexuelle Liebe in der
Superehe



Teil 3: Der Geschlechtsverkehr




Physiologie und Technik

Kapitel 5: Definition, Vorspiel, Liebesspiel

Unter Geschlechtsverkehr verstehen wir hier den gesamten Verkehr, der zu geschlechtlichen Zwecken zwischen Menschen stattfindet.

Wir wollen uns desweiteren sofort darüber im Klaren sein, dass wir mit diesem Begriff, wenn er ohne Adjektiv verwendet wird, ausschließlich den normalen Verkehr dieser Art meinen. Der physiologischen geschlechtlichen Betätigung wollen wir in der Superehe - unter Vermeidung jeder Prüderie, sei es auch unter Wahrung der wahren Keuschheit - Gelegenheit geben, sich nach allen Richtungen so weit wie möglich zu entfalten. Alles Krankhafte, Naturwidrige aber werden wir aus ihr verbannen.

Damit wir uns dabei nicht missverstehen, haben wir zuerst festzulegen, was wir als normalen Geschlechtsverkehr betrachten werden. Das ist nicht leicht, wie jede Definition auf jedem Gebiet ihre Schwierigkeiten hat. Ich glaube, den verschiedenen Anforderungen, die hier zu stellen sind, am besten gerecht zu werden, wenn ich unter einem normalen Geschlechtsverkehr jeden Verkehr verstehe, der zwischen zwei geschlechtsreifen Menschen verschiedener Gattung unter Ausschluss von Grausamkeit und ohne Anwendung von Hilfsmitteln zur Lusterzeugung mit der direkten oder indirekten Zielsetzung geschlechtlicher Befriedigung stattfindet und bei der Überschreitung einer gewissen Reizschwelle mit dem Erguss des Samens in die Scheide, unter annähernd gleicher Lustlösung  (Orgasmus) der Beteiligten, seinen Gipfel erreicht.

Der Geschlechtsverkehr besteht aus Vorspiel, Liebesspiel, Geschlechtsvereinigung und Nachspiel.

Sein Höhenstadium und seinen Zweck erreicht er in der dritten Phase, in der Geschlechtsvereinigung.

Diese, in der Regel als Coitus bezeichnet, nenne ich die Vergattung.

Ich bilde dieses Wort aus "Vermählung" und "Begattung" und gebrauche es anstatt des letztgenannten Wortes, das die Aktivität des Mannes und die Passivität der Frau beim Geschlechtsakt zum Ausdruck bringt, weil in der Superehe ein derartiges Verhältnis sogar im Sprachgebrauch durchaus vermieden werden soll. Vergattung und das sich daraus ergebende "sich vergatten" lassen dagegen ohne Weiteres auf Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung bei der Geschlechtsvereinigung schließen.

Die Vergattung (die man gelegentlich auch als Geschlechtsverkehr im engeren Sinne bezeichnen kann, wobei allerdings mit der Möglichkeit von Missverständnissen gerechnet werden muss) fängt mit der Einführung des männlichen Gliedes in die Scheide an, erreicht ihren Höhepunkt mit der beiderseitigen Lustlösung  und ihren Zweck mit dem Erguss und der Aufnahme des Samens. Sie endet, wenn das Glied die Scheide verlässt. Ihr Ziel wird erst durch die Befruchtung erreicht, die aber zu der Geschlechtsvereinigung, wie wichtig diese auch für ihr Zustandekommen sein mag, nicht in direkter Beziehung steht.


Mit dem Ende der Vergattung fängt das Nachspiel des Geschlechtsverkehrs an, das aber bei vielen Menschenpaaren, wo die Liebe nur eine bestimmte Rolle, gänzlich entfällt, weil sich die beiden Beteiligten, sobald ihrem Befriedigungstrieb genügt ist - wenigstens zeitweilig - voneinander abwenden.

Dagegen bildet das Nachspiel dort, wo ausgesprochene Liebesgefühle bestehen, eine wichtige Phase des Geschlechtsverkehrs, die zwar in der gewöhnlichen Ehe nur allzusehr vernachlässigt wird, dafür aber in der Superehe so deutlich wie möglich hervorgehoben werden soll.

Das Ende des Nachspiels lässt sich nicht angeben. Es klingt aus, es soll nachklingen und weiterklingen, bis es sich in den Anfängen eines neuen Vorspiels auflöst.

So entsteht die Kontinuität des Geschlechtsverkehrs, die ich als eine der schönsten Eigeschaften der Superehe und zugleich als eine ihrer wichtigsten Unterlagen betrachte.

Wenn sich die ersten Regungen des Annäherungstriebs geltend machen, setzt das Vorspiel des Geschlechtsverkehrs ein. Es geht sempre crescendo, in dem einen Falle langsamer, in dem anderen rascher, ausnahmsweise mit mit einer fast blitzartigen Steigerung.

Wo es endet? Dort, wo das Liebesspiel anfängt.

Es braucht keine ausführlichen Darlegungen, um klarzumachen, dass damit kein scharf umschriebener Zeitpunkt gegeben ist, dass meistens die beiden Phasen allmählich ineinander übergehen, dass sich einmal Erscheinungen und Handlungen, die der zweiten Phase angehören, schon während der ersten äußern können, und dass andererseits manchmal, besonders von weiblicher Seite, noch schüchterne Vorspieltöne gehört werden, wenn das Liebesspiel schon in vollem Gange ist.

Dennoch erscheint es mir angebracht, mit Hinblick auf unsere Besprechungen eine Grenze zwischen beiden Phasen zu ziehen, was sich auch unschwer machen lässt.

Ich nehme sie beim Liebeskuss, der als Prototyp der erotischen Berührungen betrachtet werden kann - mit dem Zusatz, dass ich diesen selbst schon dem Liebesspiel zuteile.


So spiel sich denn das Liebesspiel zwischen Liebeskuss und dem Beginn der Vergattung ab. Es bildet die Vorbereitung zu dieser und ist als solche unerlässlich, um Mann und Frau psychisch und körperlich instand zu setzen, sie richtig zu vollziehen.

Besonders wichtig ist dieses Stadium des Geschlechtsverkehrs für die in sexueller Hinsicht noch nicht genügend erfahrene und eingeübte Frau, da es gewöhnlich eines gut geführten Liebesspiels bedarf, um ihre erotischen Gefühle in genügendem Maße zu erwecken und sie für die Reize der nachfolgenden Vergattung zu sensibilisieren.

Bei Geübten, und namentlich bei einem aufeinander eingestelltem Paar, kann das Liebesspiel zusammen mit dem Vorspiel als mehr oder weniger abgekürztes Verfahren vollzogen werden, mitunter sogar gänzlich entfallen. Ein Blick, ein Wort als Einladung genügen, vor allem nach längerer Enthaltsamkeit, um die Vorbedingungen für den Coitus zu erfüllen und diesen sofort beginnen zu lassen.

Ein derartiges Vorgehen kommt aber unter feiner fühlenden Menschen - und nur solche sind zu einer Superehe fähig - nur ausnahmsweise und dann doch immer in Form eines stilisierten Verfahrens zur Anwendung. Sonst bedeutet es eine Roheit, die sich in ihrer Entwicklung auf seelischem Gebiet schwer rächen muss.

Die Unterlassung des Liebesspiels durch den Mann allein kann noch mehr sein als eine Roheit; sie kann eine Brutalität darstellen, welche der Frau neben  bedeutendem seelischen Schaden auch körperlichen hinzufügt. Außerdem ist diese Unterlassungssünde eine Dummheit!

Denn das Liebesspiel gibt, als Kunst geübt, eine Fülle von Genüssen, die denen, welche die Vergattung bietet, nicht nachzustehen haben. In der Superehe soll diese zweite Phase des Geschlechtsverkehrs als ebenso wichtig angesehen und gepflegt werden, wie die dritte.


Betrachten wir nun die Phasen des Geschlechtsverkehrs einzeln für sich, so brauchen wir uns bei der Technik des Vorspiels nicht mehr lange aufzuhalten.

Dem Blick und dem Wort fallen bei diesem Spiel die größten Rollen zu, denn sie sind es, die den seelischen - den in diesem Stadium wichtigsten - Regungen Ausdruck verleihen.

Aber auch die Hilfsrollen sind beachtenswert.

Man denke an alles, was über die Beziehungen des Geruchs zu Geschlechtsgefühl gesagt wurde.

Auch weise ich auf dem Tanz hin, der bei den Zivilisierten zwar einen Teil seiner primordialen Bedeutung, welche er bei den Naturvölkern als Werbungsmittel besitzt, eingebüßt hat, aber dennoch auch bei uns noch eine starke erotische Triebkraft zeigt.

Überhaupt bedient sich der Annäherungstrieb im Vorspiel der Liebe hauptsächlich der drei Sinnesorgane: Gesicht, Gehör Geruch. Die beiden anderen, Gefühl und Geschmack, kommen erst im zweiten Stadium beim eigentlichen Liebesspiel zur Geltung, wobei sich allerdings das Gefühl, sobald es einmal in Aktion getreten ist, sofort die Vorherrschaft erobert.

Zwei Vorspielmotive verdienen unsere weitere Aufmerksamkeit:

die Koketterie und der Flirt.

Was ich in Beziehung zum ehelichen Liebesvorspiel mit dem Wort "Koketterie" bezeichnen will, ist die Wechselwirkung von Anziehung und Abwehr, welche durch die daraus hervorgehende Summation der Reize eines der stärksten psychischen Werbemittel darstellt.

Die Koketterie, von einer feinfühligen Frau in richtiger Abstufung und besonders in ihrer abweisenden Komponente, mit Vorsicht angewendet und mit Grazie gehandhabt, kann zu einer der schönsten Partien im Vorspiel der Liebe werden, weil in der Zurückhaltung, von einer Steigerung gefolgt, ein großer Reiz liegt.

Bedenken wir jedoch, dass jedes Reizmittel in Überdosierung zum Gift wird, wie auch Gifte in geeigneten Minimalgaben Reizmittel sind.

Nach anders ist es in der Kunst, in den "schönen Künsten" sowohl wie in der nicht weniger schönen Liebeskunst, und "Arte dell'Amore" ist, was die absichtliche Zurückhaltung in der Reizsteigerung betrifft, ebenso vorsichtig zu handhaben, wie "Amore dell'Arte".

Wer diese Mittel nicht mit voller Beherrscchung in richtiger Weise und im richtigen Augenblick anzuwenden weiß, lasse lieber die Finger davon! Zumindest möge er sich vor Überdosierung hüten. Eine zu geringe Anwendung kann höchstens die beabsichtigte Wirkung verfehlen - zu starke Gaben dieser sonst heilbringenden Gifte verusachen eine Lähmung statt Reizung, eine Lähmung der Teilnahme hier, eine Lähmung der sexuellen Gefühle dort.

Das süße Gift der Koketterie aber wird bei falscher Anwendung nicht nur lähmend wirken. Es bekommt auch einen bitteren Geschmack, erregt Ekel, und wird nicht einmal mehr genomen!


Über das, was wir unter Flirt verstehen wollen, müssen wir uns einigen. Wörterbuchdefinitionen stellen die Tändelei, das flatternde und flitternde Minnespiel in den Mittelpunkt des Begriffs. In diesem Sinne aber brauchen wir ebensowenig den Begriff wie das Wort. Denn wir komen mit anderen, deutlicheren vollständig aus.

Meines Erachtens ist der Flirtbegriff ursprünglich so gemeint: die Ausführung des Liebesvorspiels, unter Anwendung aller Mittel der größtmöglichen psychischen Verfeinerung, mit der bestimmten Absicht, nicht über das Vorspiel hinauszugehen.

In dieser Form kann der Flirt gelegentlich auch zwischen Eheleuten, oder sagen wir lieber, gerade zwischen Ehepartnern, schöne Erfolge in Gestalt der Erneuerung und Auffischung der Liebesgefühle zeitigen.

Er soll deshalb, wie die richtig dosierte Koketterie zu geeigneten Zeitpunkten angewendet, in der Superehe seinen Platz finden.

Das wichtigste Instrument im Vorspiel des Geschlechtsverkehrs ist das Gespräch. Sein wichtiges Thema ist: die Liebe. Seine Wirkung beruht auf Autosuggestion und auf gegenseitiger Suggestion.
Was das Vorspiel für den Geschlechtsverkehr bedeutet, ersieht man wohl am besten an seiner körperlichen Wirkung. Die Allgemeinwirkung, wie sie sich in verstärkter Herztätigkeit usw. kundtut, lasse ich jetzt beiseite. Die örtlichen Erscheinungen zeigen aber deutlich, was das Vorspiel ist: eine Vorbereitung. Denn nach den Regeln der Kunst geführt, ergibt es, infolge seiner rein psychischen Reizung, bei Mann und Frau (zumindest bei der erfahrenen Frau) ein und dasselbe Resultat, die Destillatio, welche die Bereitschaft zum weiteren Geschlechtsverkehr zum Ausdruck bringt und die Vorbedingung zu diesem Verkehr (jedenfalls zu einer sich harmonisch abspielenden Vergattung) bildet.

Das Liebesspiel ist in seinem vollen Umfang auf den Geschlechtsbefriedigungstrieb zurückzuführen.

Bei den meisten Völkern fängt es fast ausnahmslos mit dem Kuss  an.

Gemeint ist hier der Liebeskuss.

Es gibt Küsse, die mit dem Geschlechtstrieb nichts zu tun haben. Es wäre töricht, für jeden Kuss sexuelle Beweggründe annehmen zu wollen, da ja zweifelsohne Küsse gegeben und in Empfang genommen werden werden, die nichts anderes als inhaltslose, konventionelle Vorgänge darstellen, und weil gewisse manche Küsse anderer als geschlechtlicher Zuneigung entstammen. Diese Kategorie ist aber noch weit kleiner, als naive Menschen glauben, glauben möchten oder zu glauben vorgeben, denn die Geschlechtsgefühle spielen ins Leben weit mehr hinein, als man gemeinhin zu denken oder jedenfalls zu sagen wagt.

Jedenfalls ist das "Küsschen in Ehren" viel weniger "unschuldig", als gewöhnlich aus Moralitätsbequemlichkeit oder wohl auch aus anderen Gründen angenommen wird.

Es gibt weitere Küsse, die, wenn ihnen auch ein sexuelles Gepräge nicht abgesprochen werden kann, doch infolge der Scheu, mit der sie gegeben und empfangen werden, eher unter die Erscheinungen des Liebesvorspiels als in das Liebesspiel selbst einzureihen sind. Als solche müssen zum Beispiel die Küsse, die bei gewissen Gesellschaftsspielen üblich sind und diejenigen, welche halberwachsene junge Leute, teilweise aus Neugierde, in schüchtener Weise wechseln, betrachtet werden.

Eines Kennzeichens aber entbehren alle diese Kussarten: dass sie von Mund zu Mund unter gegenseitiger Beteiligung gegeben werden.

Denn dieses Kennzeichen ist das Charakteristikum des Liebeskusses.
Der Liebeskuss ist reich an Varianten. Von einem leichten Streicheln der Lippen miit den Lippenspitzen, einem "Effleurage" ausgehend, durchläuft er die ganze Skala der Berührungsintensität bis zur "Maraîchinage", wobei sich die Partner während längerer Zeit gegenseitig die Zunge so tief wie möglich überall in der Mundhöhle herumführen.

Dass es dabei aber nicht immer und nicht für jeden die "eingehendsten" Berührungen sind, welche die größten Reize bilden, ist ebenso sicher wie es als zweifellos erachtet werden muss, dass sich der Meister beim Liebeskuss mehr als in der Beschränkung in der Nuancierung zeigt.

Die Zunge ist hierzu ein unerlässliches Instrument und der Zungenkuss ist eine der wichtigsten Varianten des Kusses überhaupt.

Wenn er auch gelegentlich in etwas energischerer Form, mit weiterer Einführung der Zunge in den Mund des Partners, geübt werden kann, so ist er doch in der Verfeinerung seiner Abstufungen grundverschieden von dem, immerhin doch groben und deshalb nur Halbgebildeten zusagenden, Vorgehen der Maraîchins. Seine stärksten Reize zeigt er im Gegenteil, wenn die Zungenspitzen einen zarten, feinen Kitzel auf die Lippen und der Zungenspitze des Partners ausübt.

Drei Sinne beteiligen sich an der Apperzeption des Kusses: das Gefühl, der Geruch und der Geschmack. Ein vierter, das Gehör, sollte lieber nicht beteiligt sein!

Dem Geruchsinn kommt bei diesem Akt eine großte Bedeutung zu.

Die olfaktorischen Eindrücke, die von der Haut der Umgebung des Mundes, mit welcher die Nase beim Küssen in engste Berührung tritt, ausgehen, vermischen sich mit denjenigen, die der Mundhöhle entstammen, und mit den Atemgerüchen. Über diese Geruchseindrücke haben wir bereits gesprochen. Wahrscheinlich sind die an erster Stelle genannnten - von der Haut ausgehenden - von größerer Bedeutung, als man meinen würde.

Auch der Tastsinn wird während der Beschnüffelung wichtige Eindrücke aufnehmen, mögen sie auch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht so fein abgestuft und nicht so intensiv sein, wie das beim Küssen der Fall ist.

Aber ein Element dieser Handlung fehlt beim Beschnüffeln ganz: der Geschmack. Zwar wird er von den meisten beim Küssen nicht richtig erkannt, aber nur die wenigsten unter uns sind auf diesem Gebiet derartige Feinschmecker, dass sie den Geschmack der Küsse ihrer Geliebten so zu definieren verstehen, wie z.B. die alten Römer. Aber ein Geschmack, ein bei verschiedenen Menschen verschiedener und bei demselben Individuum wechselnder Geschmack, ist bestimmt da. Wahrscheinlich rührt er hauptsächlich vom Speichel her, von dem wir ja aus Untersuchungen der physiologischen Chemie wissen, dass seine Zusammensetzung bei Veränderungen des Körpers, zum Beispiel während der Schwangerschaft, wechselt, und dass viele Substanzen, die dem Organismus in irgendeiner Weise einverleibt sind, in ihn übergehen.

Das sind Gründe genug, um dem Geschmack des Speichels - auch abgesehen vom Geruc, der nicht völlig vom Geschmack getrennt werden kann - eine ausgesprochen persönliche Prägung zu verleihen.

Damit erhält auch der Geschmack des Kusses seine persönliche Nuance, den bei jedem Liebeskuss - zumindest bei einem längeren, intensiven Kuss zwischen Liebenden, zu dessen Eigenschaft es gehört, dass er (im Gegensatz zu Konventionsküssen) nicht "trocken" ist - geht ein wenig Speichel von dem einen Mund in den anderen über.

Noch zwei weitere Faktoren: Der erste ist der eigentümliche Gefühlseindruck, den die Saugwirkung zuwege bringt, ein Eindruck, der auch wieder verschieden ist, je nachdem, ob diese Wirkung aktiv, passiv oder gemischt ist.

Beim zweiten Faktor kommt es auf die Zähne an. Sie haben in dieser Beziehung nicht nur als Unterlage für die Lippen Bedeutung, sondern sie betätigen sich bei manchem leidenschaftlichen Kuss auch aktiv.

Tatsächlich ist in den kleinen, feinen, leisen, meistens auch etwas schärferen, aber niemals schmerzenden Bissen, welche Mann und Frau bei der Steigerung des Liebesspiels anwenden, besonders wenn diese Bisse serienweise, in schneller Folge fortfahrend an dicht nebeneinander liegenden Stellen angebracht werden, für Spender und Empfänger ein besonders intensiver erotischer Reiz enthalten.

Neben den von Mund zu Mund gewechselten Küsssen bedient sich das Liebesspiel gerne der Körperküsse, welche an allen möglichen Stellen appliziert werden.

Die Abstufung richtet sich bei dieser Art des Küssens in erster Linie nach den Anwendungsstellen, wobei sich im Allgemeinen sagen lässt, dass die Empfindlichkeit (abgesehen von Mund und Brüsten, welche Sonderstellungen einnehmen) von der Peripherie zum Zentrum größer wird, von der Stirn über die Wangen, von den Fingerspitzen über die Arme, von den Füßen über die Waden fortschreitend in die Richtung der Geschlechtsorgane - während wir, was das Besondere betrifft, auf die Prädikationsstellen hinzuweisen haben, welche am Schluss von Kapitel II als "erogene Zonen" ausführlich beschrieben werden.

Eine andere Weise von Abstufung, von Reizdosierung lässt sich auch hier wieder durch Verschiedenheit in Art und Intensität erhalten, weil man zwischen ganz leichten, streichelnden oder kritzelnden und stark saugenden oder beißenden Küssen wechseln kann.


Im Gegensatz zu den Verhältnissen beim Mund-zu-Mund-Kuss, wo Geben und Empfangen eins sind und sich somit aktives und passives Tastgefühl vermischen, sind diese beiden Gefühlsarten bei den jetzt besprochenen Liebesäußerungen völlig auseinandergerückt. Es sind ganz verschiedene Empfindungen, den geliebten Körper zu küssen und seinen Körper vom geliebten Mund geküsst zu fühlen. Beide aber sind erotische Hochgenüsse, die sich noch summieren können, wenn sich die beiden Partner zu gleicher Zeit aktiv an dieser Art des Liebesspiels beteiligen.

Was die Analyse dieses Küssens betrifft, so ist klar, dass der Reiz des Geküsstwerdens einzig und allein durch Gefühlseindrücke entsteht, während beim aktiven Vorgehen die dem Gehirn durch das Tastgefühl von den Lippen und der Zungenspitze  übermittelten Reize noch durch Geruchseindrücke verstärkt werden.

Bei dieser Art des Küssens spielt sogar die Beschnüffelung eine dem primitiven Schnuppern weit ähnlichere Rolle, als beim vorbeschriebenen Liebeskuss. Dort findet in der Regel kein eigentliches Schnüffeln mehr statt, hier aber bildet es einen wesentlichen Bestandteil des Vorgangs. Nicht nur für den aktiven Partner, auch für den passiven. Denn die eigentümlichen Gefühlseindrücke, welche die Haut beim Beschnüffeltwerden aufnimmt (der unregelmäßig intermittierende und damit eine Art pneumatischer Massage ausübende Luftstrom, der dazu noch Temperaturschwankungen zeigt, indem die Einatmung eine kältere, die Ausatmung aber eine wärmere, besonders wirksame Strömung erzeugt, ist dabei zweifelsohne das wichtigste Agens), werden sich in jedem Falle, wenn auch häufig unbewusst, als bedeutende Reize empfunden, und viele Menschen, inbesondere Frauen, nehmen diese ganz typischen Eindrücke unter vollem Bewusstsein in ihre Gehirnzellen auf.

Dass die Geruchsempfindung des Küssenden, von der Hautausdünstung des Geküssten herrührend, in Intensität und Nuance mit der geküssten Stelle des Körpers schwankt, bedarf keiner Beweisführung.

Und ebenso wenig ist es nötig, darauf hinzuweisen, dass der Geschmack - für gewöhnlich bei diesen Küssen von geringerer Bedeutung - unter gewissen Umständen, bei gewissen Individueen, an gewissen Stellen, einen Einfluss auf den Gesamteindruck, den der aktiv Beteiligte empfängt, gewinnen kann.


Ich habe beim Lippenkuss, ebenso wie bei dem auf den Körper gegebenen, die Bedeutung der Zähne erwähnt und habe hervorgehoben, dass kleine, keinen wirklichen Schmerz verursachende Bisse als zur normalen Kusstechnik gehörend betrachtet werden müssen. Das will nicht heißen, dass bei jedem richtigen Liebeskuss gebissen wird! Aber im Höhenstadium des Liebesspiels, wenn die Intensität des Küssens bis an die Grenze des Möglichen gesteigert wird, kommt eine in der beschriebenen Weise stattfindende Beteiligung der Zähne an dem Akt oft vor und ist gewiss keine abnormale Erscheinung.

Ob sich das vom richtigen Lippenbiss auch sagen lässt? Bis zu einem gewissen Grad, ja. Aber da gibt es doch eine Schwelle, über welche hinaus das Gebiet des Pathologischen, des krankhaft Sexuellen betreten wird.

Wo wir uns diese Schwelle zu denken haben, ist schwer zu sagen, denn die Übergänge vom Normalen ins Krankhafte sind hier, wie fast auf jedem Gebiet des Seelenlebens, so allmählch, dass sich keine festen Grenzen ziehen lassen. Zeigt sich nicht jeder Verliebte als ein gewissermaßen Geistesgestörter, dessen Zielsetzung abnorm beschränkt, dessen Gesichtskreis regelwidrig eingeengt ist? Aber wir müssen die Grenze dennoch ziehen! Und ich halte es für richtig, sie, sowohl beim Liebesbiss wie überall dort, wo sich die Frage von sexueller Lustempfindlichkeit durch das Verursachen oder das Erdulden von Schmerzen (körperlicher oder seelischer Natur) auftut, dorthin zu verlegen, wo die ersten Anzeichen von Grausamkeit anfangen.

Der wirkliche Liebesbiss wird, außer im stark gesteigerten Liebesspiel, nicht selten auch bei der Vergattung erteilt, sei es nun während des Anschwellens der Lustgefühle oder im Augenblick der Lustlösung (Orgasmus) selbst. Als bevorzugte Stellen lassen sich am Körper des Mannes die Schulter, speziell die linke Schulter, oder die Gegend unterhalb des Schlüsselbeins, bei der Frau der Hals (merkwürdigerweise ebenfalls wieder die linke Seite) und die beiden Flanken bezeichnen. Dies mag teilweise mit den Größen- und Stellungsverhältnissen beim Coitus zusammenhängen. Es sind aber doch auch vermutlich dunkle, auf Atavismus beruhende Faktoren mit im Spiel.

Auffallend stärker ist die Neigung zum Liebesbiss beim weiblichen Geschlecht. Leidenschaftliche Frauen lassen gar nicht selten ein Andenken an die Geschlechsvereinigung, in Form eines annähernd quergestellten kleinen Ovals von unter der Haut gelegenen Blutergüssen, auf der Schulter des Mannes zurück. Dies kommt fast ausnahmslos während der Vergattung oder gleich im Anschluss daran zustande, wogegen die gewöhnlich leichteren, zarteren, jedenfalls weniger ausgiebige und anhaltende Spuren hinterlassenden Liebesbisse des Mannes größtenteils während des Liebesspiels, also schon vor dem Coitus entstehen, mitunder allerdings auch in die Zeit des Nachspiels fallen.


Soll das nun heißen, dass der Mann beim Vergattungsakt selbst so viel schonender vorgeht als die Frau, dass er sich auch in den Augenblicken der höchsten Entzückung unablässing in der Hand behält?

Beileibe nicht! Es wäre wohl traurig für die Frau, die sich doch nicht wirklich geliebt glauben würde, wenn sie nicht fühlen könnte, dass er sich völlig hinreißen lässt - Nun, manch blauer Fleck, zum Beispiel an den Armen seiner Partnerin, bezeugt sehr wohl, wie hingerissen er war.

Ich erkläre mir die weibliche Neigung zum Liebesbiss hauptsächlich aus dem Wunsch, in einem Augenblick der Ektase den Kuss über die Grenze des Möglichen hinaus intensiv gestalten zu wollen.

Das führt zu einem unverhältnismäßig starken Saugen und zu einer ebenso übermäßigen Anwendung der Zähne, und durch die Vereinigung dieser beiden Einwirkungen zu dem Gefühl der Befriedigung der Beißenden (weil ihr die erstrebte übermögliche Intensivierung ihres Kusses auf diese Weise gelingt), ebenso wie zu einer starken Lustempfindung des Gebissenen. Diese setzt sich aus dem Gemisch von Wonne und Schmerz zusammen. Von Wonne, die durch die starke Reizung der Gefühlsnerven körperlich verursacht wird, und noch mehr psychisch durch das Bewusstwerden oder vielleicht das Halbbewusstwerden des Wunsches der Geliebten, ihm ihre Liebe in einer maximalen Äußerung zu beweise. Von Schmerz - der im Zustand der starken geschlechtlichen Erregung nur zum geringen Teil als solcher empfunden wird und übrigens auch nicht als echter Schmerz wahrgenomen werden könnte, weil der "normale" Liebesbiss nicht "durchgeht". Er durchtrennt die Haut nicht, verursacht deshalb auch keine Blutung, macht keine eigentliche Wunde und zeichnet den Gebissenen nur während weniger Tag oder höchstens ein paar Wochen lang mit einem rotblauen, später grüngelben Mal, aber nie mit einer wirklichen Narbe.


Der Vergattungsbiss kann aus Geschlechtshass, anstatt aus geschlechtlicher Liebe entstehen. Die Tatsache, dass sich in dem Verhältnis der Geschlechter eine primitive Abstoßung ebenso sehr geltend macht, wie eine Anziehung, kann nur einem oberflächlichen Beobachter entgehen. Die sexuelle Anziehung möge denn für gewöhnlich, jedenfalls zeitweilig, den Sieg davontragen, die Abstoßung, die Männliches und Weibliches aufeinander ausüben, ist wesentlich stärker und nachhaltiger. Unter der Liebe liegt immer der Hass auf der Lauer.

Doch halten wir uns nicht weiter mit dieser tragischen Note auf - es ist ja gerade eine der wichtigsten Aufgaben einer Superehe, die geschlechtliche Abneigung dauernd von der Liebe überherrschen zu lassen.

Außer vom Kuss in seinen verschiedenen Nuancen macht das Liebespiel ausgiebig Gebrauch von der Betastung in allen Formen, in allen möglichen Abstufungen, vom leisen Kitzeln und sanften Streicheln mit den Fingerspitzen, bis zum Kneifen und Kneten mit der vollen Hand, wobei sich im Allgemeinen auch hier wieder die leisen und leisesten Berührungen am wirksamsten zeigen.

Die Reize sind für die aktive und die passive Partei annähernd gleich stark, wenn auch verschieden geartet. Am stärksten zeigen sie sich auch hier, wenn Aktivität und Passivität miteinander abwechseln, und erst recht, wenn sie sich summieren.

Selbstverständlich ist die psychische Bereitschaft, die erotischen Reize als solche empfinden oder sich ihnen jedenfallls nicht seelisch widersetzen, sowohl für den aktiven wie für den passiven Partner auch bei dieser Art von Reizung Vorbedingung.

Für den passiven Teil macht es einen großen Unterschied, wie diese Reize angebracht werden.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das über den Tastsinn Gesagte und erinnere daran, dass die erogenen Zonen nicht bei allen Menschen dieselben sind (jedenfalls nicht überall dieselbe Bedeutung haben) und lege den Liebespartnern ans Herz, den persönlichen Eigentümlichkeiten der diesbezüglichen Empfindungsfähigkeit des Partners emsig und eifrig nachzuspüren und von den so gewonnenen Erfahrungen beim Liebesspeil einen dankbaren Gebrauch zu machen.

Für den aktiven Teil ist die Stelle des geliebten Körpers, die er berührt, in erster Linie deshalb wichtig, weil es einen Reiz bildet, zu wissen, zu fühlen und zu sehen, dass man ersehnte Reize erteilt, und weil die dadurch vom Erteiler empfundene Entzückung mit dem Grad der erteilten Wonne steigt.

Weiter hängt das Maß der Betastungslust auch von der Beschaffenheit des betasteten Körpers ab.

Und schließlich bilden selbstverständlich die spezifisch-sexuellen Organe und ihre Umgebung die größten Anziehungsstellen für erotische Berührungen jeglicher Art.


Mit der Berührung der äußeren Geschlechtsorgane (denn nur diese kommen normalerweise in Betracht) erreicht das Liebesspiel, sowohl für den aktiven wie für den passiven Teil sein Höhenstadium.

Widmen wir uns zunächst den Brüsten und ihren Warzen, welche ebenfalls als spezifisch-sexuelle Organe einen besonderen Platz in der Erotik einnehmen.

Die starke Empfindlichkeit der Brustwarzen (und auch der Warzenhöfe) für Reizung mit Zungenspitze oder Fingern oder durch Saugbewegungen sei nochmals hervorgehoben. Besonders werden diese Reize als erotisch wirksam empfunden, wenn schon ein gewisser Grad von geschlechtlicher Erregung besteht. Eine Verstärkung erfährt diese Wirkung nach erfolgter Erektion (Aufrichtung) der Warzen, ein Vorgang, zu welchem diese Organe ebensogut fähig sind, wie die Clitoris und der Penis. Die Warzenerektion tritt sowohl infolge direkter mechanischer Reizung wie durch Fernwirkung (Reizung entfernt gelegener Körperteile, insbesondere der Geschlechtsorgane - Clitoris! - oder ausnahmsweise, bei sehr leidenschaftlichen Frauen, auch unter rein psychischen Einflüssen) auf. Allem Anschein nach erhöht sie die Sensibilität dieser Organe. Am allerstärksten wird die Reizung, wenn sie gleichzeitig mit einer solchen erfolgt, welche an anderer Stelle, insbesondere an den Genitalien, ausgeübt wird: Bei Simultanreizung von Clitoris und Brustwarze verstärkt der eine Reiz den anderen, und die Kombination bildet für viele Frauen das beim Liebesspiel erreichbare Maximum.

Die Brustwarzen des Mannes stelllen dieselben Gebilde dar wie die der Frau, aber in bedeutend zurückgebliener Form. Demensptrechend sind sie für Reize sexueller Natur viel weniger empfänglich als die weiblichen. Aber dennoch sind sie empfindlich und auch zur Erektion fähig.

Auch für den aktiven Teil bildet die Warzenreizung einen Reiz, wenn er auch weniger stark sein mag als für den passiven Partner; er kommt fast allein auf physischem Wege, durch das Bewusstsein der Lusterzeugung, zustande. Denn die Beschaffenheit der Warzen ist nicht derart, dass sie an sich die Fähigkeit besäßen, durch Anblick oder Berührung in starker Weise erotisch zu wirken.

Anders die Brüste selbst: Schon ihr Anblick versetzt - psychische Bereitschaft vorausgesetzt - den Mann in eine gewisse sexuelle Erregung, und ihre Betastung, gewöhnlich mit der vollen Hand vorgenommen, erhöht diese bedeutend. Auch der Frau gibt das (nicht zu starke!) Kneifen und Kneten der Brüste, wenn diese Tendenz der beiden Partner deutlich erotisch ist, angenehme Gefühle geschlechtlicher Art. Die Frau wünscht und sucht nicht sellten diese Art des Berührtwerdens in mehr oder weniger deutlicher Weise. Trotzdem macht es im Allgemeinen doch den Eindruck, dass bei dieser besonderen Art der erotischen Betastung der aktive Teil ausnahmsweise stärker gereizt wird als der passive.

Beim zart und fein gespielten Liebesspiel - und erst recht dort, wo die Liebenden noch nicht lange aneinander gewöhnt sind - bewegt sich die Hand, welche die Berührung der Geschlechtsorgane des Partners erstrebt, nur selten geradewegs auf das Ziel zu. Zurückhaltend und nicht frei von einer gewissen Scheu, kommt sie allmählich näher, betastet den Bauch, die Unterbauchgegend, die Innenseite der Femora, steift, als wäre es fast unabsichtlich, die Geschlechtsteile, um aber sofort zum anderen Femur weiterzugehen. So zögert sie noch ein wenig, bis sie schließlich in der Berührung des Genitals persistiert.

Das ist der Anfang von dem, was ich "Reizspiel" nenne. War die suchende streichelnde Hand die des Mannes, so haben sie die Femora der Frau bei seinen Berührungen wie von selbst leicht abduziert, sodass die Genitalien besser zugänglich geworden sind. Und hat ihre sexuelle Erregung unter dem Einfluss seiner vorhergehenden Liebkosungen schon eine gewisse Schwelle überschritten, so hat sich auch ein großer Blutreichtum und damit ein Einsetzen von Schwellung der Labia maiora eingestellt.

Diese gehen dadurch etwas auseinander, so dass sich die Vulva mehr oder weniger öffnet und die in ihr liegenden Gebilde, insbesondere die Clitoris, bequemer erreichbar sind. Zu gleicher Zeit ist schon eine leichte Absonderung der Vorhofschleimdrüsen eingetreten.

So gleitet denn einer der Finger der streichelnden Hand wie von selbst in die Vulva hinein und setzt dort die Berührung fort. Dass er dabei hauptsächlich der Glans clitoridis begegnet, die sich in der Mitte hervorstreckt, ist selbstverständlich. Das Organ ist umso mehr der Berührung ausgesetzt, als sich die Clitoris schon in einer gewissen Erektion befindet, wodurch sie nicht allein vergrößert ist, sondern auch ihre Glans entblößt hat. Dabei trifft der Finger in der Mitte mit Sicherheit die empfindlichste Stelle (dort wo sich das Frenulum clitoridis ansetzt) des während der Erektion noch mehr als onst für erotsche Reize empfindlichen Organs.

Dass aus dieser, anfangs manchmal fast unbeabsichtigten Berührung eine mächtige Verstärkung der geschlechtlichen Erregung der Frau resultiert, versteht sich ebensosehr, wie die Tatsache, dass der Mannn eine bedeutende Steigerung seiner Lustgefühle empfindet, indem er bemerkt, wie seine Berührungen die geliebte Frau entzücken.

Von dieser Wahrnehmung bis zur absichtlichen Fortsetzung der Reizung derjenigen Stellen, welche sich dafür am empfindlichsten erweisen , ist der Übergang allmählich und von selbst gegeben.

So kommt denn das Reizspiel, verstärkt durch Küsse, durch anderweitige Berührungen und oft nicht am wenigsten durch die Gegenseitigkeit der ausgetauschten Reize, in vollen Gang. Und es geht weiter, bis mit der Immisio penis, der Einführung des Glieds in die Scheide, dem Liebesspiel ein Ziel und ein Ende gesetzt wird und die Vergattung anfängt.


Apropos Gegengseitigkeit des Reizspiels: Die Liebkosung, die Reizung der männlichen Organe durch die Frau ergibt sich aber nicht von vorneherein so von selbst, wie die aktive Rolle des Mannes.

Auch ihr kommt dennoch eine große Bedeutung zu. Eine Frau, die ihren Mann schon länger liebt, sucht während des Liebesspiels, sobald ihre Erregung einen gewissen Grad erreicht, und besonders dann, wenn der Mann diese Erregung durch das von ihm eingeleitete Reizspiel noch gesteigert hat, in beinahe reflektorischer Weise, seine Genitalien mit der Hand zu berühren. Die Wahrnehmung seines Erregungszustands - der sich in diesem Stadium meistens in einer schon bestehenden vollen Erektion bekundet, ihr aber sonst deutlich wird, indem das Organ unter dem Einfluss ihrer Berührungen mehr und mehr anschwillt - bildet für sie einen psychisch-erotischen Reiz allerersten Ranges. Sowohl um die Lustgefühle ihres Mannes zu steigern, und ihm Genuss zu bereiten, wie auch zur immer weiteren Verstärkung ihrer eigenen Erregung, lässt sie die einfache Umfassung und das unsystematische Streicheln allmählich in eine planmäßige Reizung übergehen. Sie sucht dabei natürlich die empfindlichsten Stellen ausfindig zu machen, oder wenn sie, wie gewöhnlich nach einer gewissen Zeit des geschlechtlichen Zusammenlebens, die nötige Erfahrung hat, dann kennt sie diese Stellen ohnedies. Übrigens belehren die Reaktionen ihres Mannes auf ihre Reizanwendung, seine erregte Bejahung, wenn sie die richtige Stelle trifft, die Äußerung seiner Lustgefühle die Frau bald genug.

Ein nicht unbedeutendes Maß an Zurückhaltung sei ihr bei diesem Anteil am Liebesspiel jedoch empfohlen. Ich meine dies jetzt nicht in dem Sinne, dass ein gewisses "Draufgängertum" im sexuellen Bereich auf den Mann abstoßend wirken kann. Die Sache liegt aber so, dass die Frau im Großen und Ganzen mehr Zeit und eine größere Reihe von Reizen braucht, um die Lustlösung, den Orgasmus, zu erreichen als der Mann. Empfängt dieser nun durch das Reizspiel schon sehr viele und starke Reize, so genügen nur noch wenige, um bei dem sich anschließenden Coitus die Ejakulation hervorzurufen, und die Gefahr ist groß, dass so wenige Reize bei der Vergattung für die Frau nicht genügen, um ihren Orgasmus auszulösen.

So bliebe sie denn infolge der fehlerhaften Technik ihres eigenen Liebesspiels unbefriedigt.

Es versteht sich deshalb, dass das Reizspiel beim Manne nur dann in mehr mehr als vorübergehender Weise angewendet werden kann, wenn er aus irgendeinem Grund untererregbar ist, was zum Beispiel kurz nach einer schon erfolgten Ejakulation der Fall ist.


Aus den obigen Ausführungen lässt sich leicht folgen, dass die Verhältnisse für manche Frau im Vergleich zu den beim Mann beschriebenen wesentlich umgekehrt liegen, namentlich solange diese Frauen im Liebesleben noch nicht erfahren sind. Solche Frauen brauchen - soll das Ziel, die beiderseitige, gleichzeitige Lustlösung erreicht werden - eine ziemlich intensive Vorbereitung zum Coitus, nicht allein in Form eines schön geführten Vorspiels und eines gut aufgebauten und richtig fortschreitenden Liebesspiels, sondern namentlcih auch in Gestalt eines vom Mann taktvoll und schonend eingeleiteten und mit Liebeskunst und Ausdauer - unter Zurückhaltung und Beherrschung eigener Leidenscahaft - von ihm weitergeführten Reizspiels.

Das gestaltet sich aber oft gar nicht so leicht. Nicht immer abduziert die Frau die Femora wie von selbst, wenn die Hand des Mannes ihre Verbindungsstelle zu berühren sucht. Ein sanfter Zwang, von einem zarten Wort der Ermunterung unterstützt, muss manchmal eingreifen. Die Schwellung der Labia, die beginnende Erektion der Clitoris - so natürlich und selbstverständlich sie bei schon bestehender geschlechtlicher Erregung sind - fehlen noch vollständig, wenn es an genügender Erregung fehlt. Wer dabei doch den Coitus antritt, handelt dumm und egoistisch, weil er seine Frau unbefriedigt lassen wird. Das Reizspiel ist die einzige Rettung aus dieser bedenklichen Situation, weil es das einzige Mittel ist, die nicht nur ersehnte, sondern unbedingt notwendige Erregung zu erzielen.

Wir wollen hier nicht weiter auf den Zusammenhang zwischen Dyspareunie und Sterilität eingehen, sondern nur darauf verweisen, dass viel auf scheinbarer Geschlechtskälte der Frau beruhendes Unglück in der Ehe vermieden werden könnte, wenn sich die Ärzte nicht durch falsche Scham und unrichtige Zurückhaltung davon abhalten ließen, auf technische Besonderheiten des ehelichen Geschlechtslebens einzugehen und aus einer Art von Prüderie davor scheuen würden, gegebenenfalls den Rat, den ihr ein kluger und menschenkundiger Kollege (nämlich der Leibarzt von Kaiserin Maria Theresa, als er sagte: "Ich bin der Ansicht, dass die Geschlechtsteile Eurer Majestät vor dem Beischlaf längere Zeit zu kitzeln sind" (1)) auch ihren Schutzbefohlenen angedeihen zu lassen.


Eine bedeutende Beeinträchtigung des Reizspiels kann durch Mangel an Schleimabsonderung (bei der Frau also infolge ungenügender Reaktion der Vorhofschleimdrüsen auf die vorangegangen sexuellen Reize psychischer oder körperlicher Art) verursacht werden. Denn eine Reizung der Vulva, der Clitoris, des Scheideneingangs, sei es nun, dass diese in Form des Reizspiels geübt wird oder aber bei der Vergattung, und dann in intensiverem Maße, stattfindet, erzeugt bei ungenügender Schlüpfrigkeit Schmerz statt Lustgefühle, und versetzt dazu die Gewebe in einen Zustand entzündlicher Irritation, welche durch nachfolgende Reizung derartig gesteigert werden kann, dass schließlich jede geschlechtliche Betätigung unmöglich wird, weil sie zu schmerzhaft ist. Da soll rechtzeitig (das heißt, sofort sobald es sich herausstellt, dass sich die Absonderung verzögert) der fehlende Schleim durch irgendeinen Stoff ersetzt werden, dessen Anwendung eine genügende Schlüpfrigkeit sichert, ohne an sich Veranlassung zur Irritation zu geben.

Die gewöhnlich zum Zweck der Herbeiführung einer genügenden Glitschigkeit  gebrauchten Fette genügen meistens weder der einen noch der anderen Anforderung. Dass sie zur Entzündung führen können, kommt daher, dass sie im Wasser unlöslich sind und sich ihre Reste deshalb nicht durch Waschung entfernen lassen. Diese Reste fallen leicht der Zersetzung anheim, werden ranzig und verursachen dadurch Irritation.

Ähnliche Erwägungen gelten für das ebenfalls gebräuchliche Vaselin. Wenn es auch nicht dem Ranzigwerden unterliegt, so bleibt seine Unlöslichkeit in Wasser, und damit die Unmöglichkeit, es bald wieder zu entfernen, ein Nachteil, welcher seine Applikation in der Vulva unratsam erscheinen lässt.

Die von ärztlicher und pharmazeutischer Seite angegebenen wasserlöslichen Gleitmittel zum Schlüpfrigmachen der untersuchenden Finger oder der Instrumente sind für die hier beabsichtigten Zwecke meistens unbrauchbar, weil sie zu viel Seife oder Glyzerin (oft auch beides), manchmal sogar stärkere Antiseptica, enthalten und dadurch bei der in diesen Fällen stattfindenden längeren und intensiveren Einreibung eine gewisse Irritation hervorrufen.

Am besten eignen sich wasserlösliche Präparate aus Pflanzenschleimen, welche Stoffe, wie die oben erwähnten nicht oder nur in geringen Mengen enthalten. Sie kommen auch dem natürlichen Schleim, den sie ersetzen sollen, am nächsten.

Das einfachste Gleitmittel als Ersatz für den fehlenden Schleim beim Reizspiel ist der Speichel. Er hat den Vorteil des natürlichen Hilfsmittels und ist dabei immer bereit; dem gegenüber steht der Nachteil der ungenügenden Wirksamkeit. Wegen dieser ist er denn auch in jenen Fällen, wo die Vergattung selbst durch ein Gleitmittel erleichtert werden soll, unbrauchbar. Bei längerem Reizspiel muss die Benetzung mit Speichel, wenn das Fehlen der Schleimabsonderung trotz des ausgeübten Reizes anhält, sehr oft wiederholt werden.

Die damit verbundenen Unannehmlichkeiten fallen selbstverständlich weg, wenn die Übertragung nicht auf indirektem Wege über die Finger, sondern direkt durch den Mund stattfindet, was beim Reizkuss (wie ich die Ausübung des Reizspiels durch kussartige Berührungen mit Lippen und Zunge nennen will) geschieht.

Diese Art der Reizung bringt es nicht nur mit sich, dass dann der Mangel an Sekretion nicht als solcher empfunden wird, sondern sie gibt auch durch die außerordentliche Verstärkung wie durch die besonders große Abwechslungsmöglichkeit der Reize Gelegenheit, diese so anzuwenden, dass die erwünschte Wirkung mit Sicherheit eintritt, mit anderen Worten, dass eine genügende geschlechtliche Erregung zustandekommt, um (sei es sofort, sei es es nach weiterer Einschaltung des Reizspiels in Verbindung mit anderen Berührungen des Liebesspiels) die psychischen und körperlichen Vorbedingungen zu einer für beide Beteiligten befriedigenden und glücklich verlaufenden Vergattung zu schaffen.

Sie ist deshalb besonders dazu geeignet, bei unerfahrenen Frauen, denen noch jede Fähigkeit der sexuellen Erregung, jede Übung im Liebesspiel abgeht, die Erregbarkeit hervorzurufen. Dies jedoch unter einer ausschlaggebenden Bedingung: Dass der Mann mit dem größten Fein- und Zartgefühl vorzugehen hat!

Vom Erhabenen zum Lächerlichen führt nur ein Schritt, sagt ein alter Spruch. Für den Liebeskodex bedeutet das: Höchstes und Hässliches sind durch kaum erkennbare Schranken voneinander getrennt.


Ich darf noch anfügen, dass Geruch und Geschmack für den aktiven Partner beim Reizkuss leichter von größerer Bedeutung werden können als beim Kuss. Weil gerade in dieser Hinsicht die Gefahr der Überschreitung der soeben erwähnten Grenze ziemlich bedeutend ist, sei es dem passiven Partner empfohlen, die Gelegenheit zum Erteilen diesbezüglicher Eindrücke nach Möglichkeit zu verkleinern, was nur durch peinlichste Reinhaltung der betreffenden Stellen geschehen kann.

Im Übrigen sei wiederholt, dass beim Reizkuss die Lustgefühle des Reizspenders ausschließlich psychischer Natur sind, nur in der Wonne des Gebens und in eigenen Lustvorstellungen beruhen (was sie nicht daran hindert, in den Geschlechtsorganen eine starke Erregung, Schwellung, Erektion usw. zu erwecken), während die Gefühle des Reizempfängers doch in erster Linie körperlicher Art sind, so groß die psychische Komponente auch sein mag.

Dass es auch hier meistens der Mann ist, der als Reizspender auftritt, hat seinen Grund nicht allein im seelischen Unterschied zwischen Mann und Frau, sondern ebenfalls in der bereits angesprochenen Verschiedenheit der Erregbarkeit, die jedenfalls so lange besteht, als die Frau noch keine größere Erfahrung besitzt.

Wenn gelegentlich der Mann der weniger erregbare Partner ist, so mag auch die Frau, wenn sie (was wünschenswert sein kann), die aktivere Rolle ergreift, gelegentlich in erfolgreicher Weise den Reizkuss mit einbeziehen. Zumindest anfangs sollte sie dabei sehr vorsichtig vorgehen (psychisch gesprochen) und sich in der ersten Zeit völlig von derartigen Versuchen enthalten und diese erst später tastenderweise vornehmen, da die Gefahr, die Grenze zwischen dem Hässlichen und dem Höchsten zu verfehlen, für die Frau noch viel größer ist als für den Mann. Ich denke aber, dass die Frau dies fühlt und intuitiv weiß.

Anders verhält es sich, wenn im Verlauf eines längeren, zusammen geführten Liebeslebens eine gegenseitige Anpassung stattgefunden hat und eine gemeinsame Erfahrung und Einübung im Liebesspiel besteht.

Dann kann eine gewisse Initiative seitens der Frau, eine Abwechslung in der Liebeswerbung, so dass nicht immer nur der Mann wirbt, sondern gelegentlich auch die Frau - wobei sie allerdings eine gewisse Scheu und ihr natürliches Schamgefühl nicht zu verleugnen braucht - für sie selbst sehr ratsam sein, während sie dem Mann höchst willkommen ist, weil er daraus fühlt, dass seine Frau nicht nur liebend gewährt, sondern auch begehrt.

Ob in diesem verhältnismäßig vorgerückterem Stadium der Beziehung Reizspiel und Reizkuss (einseitig oder mit wechselnden Rollen) beim Liebesspiel kleinere oder größere Bedeutung erhalten oder behalten werden, hängt, ebensosehr wie für anderen Nuancen des Liebesspiels, von Neigung, Temperament, Veranlagung, Befähigung und Übung der Partner ab.

Bei jedem Spiel macht jeder Meister von jeder Möglichkeit Gebrauch, um es zu vervollkommnen und zu variieren; er lässt sich weder die größte noch die kleinste entgehen.

Wie sollte es da beim feinsten und reichhaltigsten aller Spiele anders sein?


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(1)

Im Original:

"Praetera censeo, vulvam Sacratissimae Majestatis ante coitum diutius esse tillandam."

Kaiserin Maria Theresa gebar 16 Kinder.